REFORMEN Kanzler kündigt massive Verstärkung der Informations- und Aufklärungsarbeit an. Deutliche Kritik an der Union.

Berlin

Für schlechte Laune hätte Bundeskanzler Gerhard Schröder gegenwärtig politisch tausend und mehr gewichtige Gründe. Die Umfragewerte für die SPD sind unverändert niederschmetternd, im Herbst drohen desaströse neue Wahlniederlagen. Im Osten Deutschlands gibt es Massenproteste gegen Hartz IV. Und im Westen der Republik ist die Stimmung deswegen auch im Keller.

Doch als sich Gerhard Schröder gestern der Bundespressekonferenz in Berlin stellte, präsentierte er sich mitnichten zerknirscht, verunsichert oder gar deprimiert. Locker, gut gelaunt, mit Zuversicht und selbstbewusst warb er vielmehr für die Reformpolitik seiner Regierung und auch ganz energisch für die Arbeitsmarktreform Hartz IV. Dass eine solche weit reichende Reform Ängste wecke, sei verständlich, räumte Schröder ein. Doch in vielen Fällen seien die Sorgen unbegründet. Weitere Korrekturwünsche wehrte er ab. Die Reform werde "planmäßig und ohne jegliche Veränderungen" zum 1.1. 2005 umgesetzt. Der Kanzler erinnerte daran, dass das Arbeitslosengeld II eine steuerfinanzierte Leistung sei, bezahlt auch aus Steuern von Leuten, die es "nicht so dicke haben".

Schröder agierte in staatsmännischem Habitus ruhig und standfest als Mann, der mit sich im Reinen ist, keine Sekunde an der Richtigkeit seiner Politik zweifelt und deshalb jetzt unbeirrt und gegen alle Widerstände auf Kurs bleiben will. Er sei "fest davon überzeugt, dass es eine vernünftige, für Deutschland richtige Alternative nicht gibt". Seine Reformen könnten gar die "Basis für ein Wiedererstarken der SPD" werden, gab sich der Kanzler hoffnungsvoll. Die zeitliche Kluft zwischen den gesetzgeberischen Beschlüssen und den Ergebnissen der Reform sei das zentrale Problem. Diese Lücke hoffe er bis 2006 schließen zu können.

Schärfe und Polemik gegenüber der Opposition verkniff sich der Kanzler, obwohl er deren Haltung mit deutlichen Worten kritisierte. Die Union, die Hartz IV mitbeschlossen und teilweise noch härtere Einschnitte gefordert hatte, erwecke den Anschein, als wolle sie sich aus der Verantwortung "davonschleichen", murrte Schröder. Davor könne er nur warnen. Er habe kein Verständnis für diejenigen, die jetzt "parteipolitische Süppchen kochen" wollten, sagte der Kanzler in Anspielung auf Nachbesserungsforderungen vor allem aus den Reihen der Union. Es gebe "ein sehr merkwürdiges Bündnis" zwischen etlichen in der Union und der PDS. Ein solches "Verhinderungsbündnis" schade dem Land.

Mit politischen Neuigkeiten wartete Schröder nicht auf. Angesprochen auf seinen Quälgeist, Oskar Lafontaine wollte Schröder nicht mal dessen Namen in den Mund nehmen. Er finde, dass SPD-Chef Franz Müntefering "diese Personalie" völlig richtig handhabe. Auf die Frage, ob er eine Kabinettsumbildung plane, antwortete er nur: "Schlicht Nein." Einer wollte wissen, wer für 2006 sein Wunschgegner sei - Angela Merkel oder Edmund Stoiber. "Ich nehme es wie es kommt", gab er lakonisch kund.

Wohl auch, um seine Wahlchancen zu verbessern, kündigte der Kanzler eine massive Verstärkung der Informations- und Aufklärungsarbeit über Hartz IV an. So auskunftsfreudig Schröder sich gestern in politischen Dingen auch gab. Ganz einsilbig, erkennbar unwillig und mit frostiger Miene äußerte er sich auf Fragen nach den familiären Neuigkeiten im Hause Schröder in Hannover. Es stimme, dass er und seine Frau ein Mädchen adoptiert hätten, bestätigte der Kanzler. Zu weiteren Auskünften war er nicht bereit. Es gebe ein Recht auf Privatheit. Das nähmen Journalisten für sich in Anspruch, sagte der Kanzler und setzte hinzu: "Ich auch."