Er werfe den Befürwortern von gemeinsamen europäischen Staatsanleihen vor, sie seien „getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben“. Sarrazin hatte bereits mit seinem 2010 erschienenen Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ für heftige Kontroversen gesorgt.

Berlin. Der ehemalige Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin sorgt wieder mit gezielten Provokationen für Schlagzeilen. In seinem neues Buch über die Eurokrise setzt Sarrazin laut „Focus“-Vorabdruck den Holocaust und die europäische Währung in Zusammenhang. Er werfe den Befürwortern von gemeinsamen europäischen Staatsanleihen vor, sie seien „getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben“.

Sarrazin hatte bereits mit seinem 2010 erschienenen Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ für heftige Kontroversen gesorgt. Darin hatte er umstrittene Thesen zur Migration aufgestellt und behauptet, alle Juden teilten ein Gen. Über sein neues Werk mit dem Titel „Europa braucht den Euro nicht“ wollte der frühere Berliner Finanzsenator am Sonntagabend mit Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (beide SPD) in der ARD-Talkshow „Günther Jauch“ diskutieren.

Der TV-Auftritt Sarrazins und dessen Holocaust-These löste einem Bericht der „Bild am Sonntag“ zufolge scharfe Kritik von Politikern aller Lager aus. Der SPD-Politiker und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, sagte dazu: „Das ist so schwachsinnig, dass man darüber gar nicht diskutieren sollte. Mit Sarrazin sollte sich niemand mehr in eine Talkshow setzen.“

„Verachtenswertes Kalkül“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte: „Entweder redet und schreibt Sarrazin aus Überzeugung einen himmelschreienden Blödsinn oder er macht es mit einem verachtenswerten Kalkül.“ Der Buchautor tue so, als ob es Denk- oder Sprechverbote in Deutschland zu bestimmten Themen gebe, um dann dagegen zu verstoßen. Mit dieser Methode versuche Sarrazin nun an den kommerziellen Erfolg seines ersten Buches „Deutschland schafft sich ab“ anzuknüpfen.

Für Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat sich Sarrazin als Gast in einer ARD-Talkshow disqualifiziert: „Nationalistischer Unsinn von Sarrazin passt nicht zum Bildungsauftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders.“

FDP-Generalsekretär Patrick Döring beklagte: „Sarrazin verknüpft die Frage der historischen Verantwortung Deutschlands unzulässig mit der aktuellen währungspolitischen Debatte. Das hat im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nichts zu suchen.“

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bezichtigte Sarrazin des Rechtspopulismus und forderte die Sozialdemokratie indirekt auf, den Buchautor auszuschließen: „Man kann den Holocaust leugnen oder ihn wie Thilo Sarrazin zur Verbreitung antieuropäischer Rechtspopulismen instrumentalisieren. Beides ist gleich unerträglich. Man wundert sich nur, dass Sarrazin mit dieser offen rechten Ideologie immer noch in der SPD sein kann.“

Jauch verteidigt Auftritt Sarrazins

Jauch zeigte sich in der Zeitung unbeeindruckt von der Kritik: „Was liegt näher, als Thilo Sarrazins ebenso streitbare wie umstrittene Thesen mit dem Autoren selbst und einem scharfen Kritiker, der überdies auch noch derselben Partei angehört, zu diskutieren?“, fragte der Moderator und hoffte auf hohe Einschaltquoten: „Ich freue mich auf dieses politische Streitgespräch zu einem aktuellen Thema, das Millionen Menschen gerade jetzt besonders interessiert.“

(dapd)