Der israelische Ministerpräsident spricht von der Räumung einzelner Siedlungen im Westjordanland und Gebietsabtretungen.

Washington/Tel Aviv. Er bewegte sich zwar ein wenig, wie von der EU gefordert - doch für die Palästinenser reichte das nicht aus. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich erstmals zur Räumung einzelner Siedlungen im Westjordanland bereiterklärt. Gleichzeitig bekräftige er während einer mit Spannung erwarteten Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses in Washington, Israel werde einer Teilung Jerusalems und einer Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge in den jüdischen Staat niemals zustimmen. Netanjahu hatte eine historische Rede angekündigt, wiederholte jedoch am Dienstag seine altbekannten Positionen. Die Palästinenser reagierten verärgert und sehen keine Basis für einen neuen Anlauf zu Friedensverhandlungen.

„Im Rahmen eines echten Friedensabkommens, das den Konflikt beendet, werden einige Siedlungen am Ende außerhalb der Grenzen von Israel liegen“, sagte Netanjahu erstmals. Der Regierungschef stellte allerdings klar, dass Israel die großen Siedlungsblöcke behalten werde. Gleichzeitig betonte er, Jerusalem müsse die vereinte Hauptstadt Israels bleiben.

Aus Sicht der Palästinenserführung ist Netanjahu kein Friedenspartner mehr. „Er hatte die Chance, sich zwischen Vergangenheit und Zukunft zu entscheiden, und er hat die Vergangenheit gewählt“, sagte der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat in Ramallah. Für Netanjahu seien Siedlungen wichtiger als Frieden. „Netanjahu ist kein Mann des Friedens“, sagte Erekat.

Netanjahu unterstützte erneut grundsätzlich einen unabhängigen und lebensfähigen Palästinenserstaat. Israel wisse, dass es für einen Frieden auch Teile seines biblischen Heimatlandes aufgeben müsse. Der Konflikt gehe nicht um die Errichtung eines Palästinenserstaates, sondern die Existenz eines jüdischen Staates, sagte er.

„Der genaue Verlauf der Grenzen muss verhandelt werden“, sagte der israelische Regierungschef. „Israel wird großzügig hinsichtlich der Größe eines Palästinenserstaates sein. Aber wie (US-)Präsident (Barack) Obama sagte, die Grenze wird anders sein als jene, die am 4. Juni existierte. Israel wird nicht zu den Grenzen von 1967 zurückkehren, die nicht zu verteidigen sind.“ Der Sprecher von Palästinenserpräsident Abbas bekräftigte hingegen, die Palästinenser wollten im Gazastreifen und Westjordanland ihren eigenen Staat gründen, mit dem arabischen Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

Netanjahu wiederholte seine Position, wonach Israel auf einer langzeitigen Militärkontrolle des Jordan-Tales an der Grenze zu Jordanien besteht. Der Sprecher von Abbas sagte dazu, die Palästinenser würden „keinerlei Präsenz Israels innerhalb eines Palästinenserstaates akzeptieren, vor allem am Jordan-Fluss“.

Netanjahu forderte die Palästinenserführung erneut auf, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Abbas müsse vor sein Volk treten und sagen: „Ich werde einen jüdischen Staat akzeptieren.“ Dies werde die Israelis davon überzeugen, dass sie wirklich einen Partner für den Frieden hätten. Netanjahu forderte Abbas auch dazu auf, das jüngste Versöhnungsabkommen mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas aufzukündigen.

„Zerreißen Sie Ihren Pakt mit Hamas, setzen Sie sich an den Verhandlungstisch und schließen Sie Frieden mit dem jüdischen Staat“, sagte Netanjahu. „Und wenn Sie dies tun, dann verspreche ich Ihnen: Israel wird nicht der letzte, sondern der erste Staat sein, der einen Palästinenserstaat als neues Mitglied der Vereinten Nationen begrüßt.“ „Was zerrissen werden müsste, sind die Friedensverträge (mit Israel)“, hieß es anschließend in einer Stellungnahme der Hamas aus Gaza.

Netanjahus Äußerungen wurden von den Abgeordneten immer wieder mit begeistertem Beifall aufgenommen. Nur eine Frau störte seine Rede mit Zwischenrufen, was Netanjahu jedoch mit Humor aufnahm.

Im Atomstreit mit dem Iran rief Netanjahu zu einer harten Gangart des Westens auf. Israel behalte sich immer das Recht vor, sich selbst zu verteidigen, drohte der Regierungschef. Die USA müssten eine klare Botschaft an die Führung in Teheran senden, dass Washington die Entwicklung von Atomwaffen nicht gestatten werde. Je mehr der Iran glaube, dass alle Optionen auf dem Tisch lägen, desto geringer seien die Chancen für eine Konfrontation. Mit allen Optionen ist in der Diplomatie ein Militärschlag gemeint.

Netanjahu äußerte Unterstützung für die demokratischen Veränderungen in arabischen Staaten. „Wir sehnen den Tag herbei, an dem Israel eine von vielen echten Demokratien in der Region sein wird“, sagte Netanjahu. Ein wirklich demokratischer Naher Osten werde auch ein friedlicher Naher Osten sein.

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"Es ist jetzt die Zeit, sich zu bewegen", sagte der schwedische Außenminister Carl Bildt auf einem EU-Ressortcheftreffen in Brüssel an Israels Premier Benjamin Netanjahu gerichtet. Die einzige mögliche Verteidigung für Israel sei der Frieden mit den Palästinensern. "Das ist die einzige Sicherheitsgarantie." Die EU sehe die Grenzen von 1967 und einen möglichen Landtausch schon seit Langem als Grundlage für Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern, betonte EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton. Das sei ein guter Startpunkt und im eigenen Interesse Israels.

Obama hatte am Donnerstagabend in einer Grundsatzrede einen neuen Anlauf für den Nahost-Friedensprozess gefordert und die Grenzen von vor dem Sechs-Tage-Krieg als Grundlage vorgeschlagen. In seiner Rede lobte er auch das Engagement von Jizchak Frankenthal, dem Begründer des "Parents Circle - Families Forum". Der "Kreis der Eltern", bringt etwa 600 israelische und palästinensische nächste Familienangehörige von Opfern des Nahostkonflikts zusammen. Obama sagte: "Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Israelis und Palästinenser lieber in die Zukunft schauen wollen, als in der Vergangenheit zu verharren. Wir sehen das an dem Beispiel des Vaters, dessen Sohn von der Hamas getötet wurde, und der eine Organisation gründete, die Israelis und Palästinenser zusammenbringt, die geliebte Angehörige verloren haben."

Die EU-Außenminister begrüßten in ihrer Abschlusserklärung vom Montag Obamas Rede wegen "wichtiger Elemente" für die Wiederaufnahme der Verhandlungen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte sich erfreut, "dass die USA jetzt wieder zu den Drängenden gehören". Auch er forderte Israel und die Palästinenser auf, jetzt zu direkten Verhandlungen zurückzukehren. "Das Fenster der Gelegenheit kann sich schnell schließen."

Auch am Sonntag hatte Obama vor amerikanischen Israel-Unterstützern vor einer wachsenden Isolation Israels gewarnt, sollte der Friedensprozess nicht an Glaubwürdigkeit gewinnen. Am gestrigen Montagabend wollte Netanjahu in Washington zum US-Kongress sprechen. "Lassen Sie uns sehen, ob er Signale sendet. Andererseits müssen wir eher pessimistisch sein", sagte Schwedens Außenminister Bildt. Ohne ein Friedensabkommen zwischen beiden Seiten und einem Ende der Okkupation sei ein palästinensischer Staat nicht möglich. Die einseitige Ausrufung eines palästinensischen Staates durch die Autonomiebehörde hält die EU deswegen für keinen gangbaren Weg. Alle "unilateralen Maßnahmen" müssten vermieden werden, heißt es in der Abschlusserklärung.(dapd) (dpa/abendblatt.de)