Finanzminister Wolfgang Schäuble und der Arbeitskreis Steuerschätzung sehen keinen Raum für mögliche Steuersenkungen.

Lübeck/Berlin. Kein Licht am Ende des Tunnels im Streit um Steuersenkungen: Finanzminister Wolfgang Schäuble und der Arbeitskreis Steuerschätzung sehen keine finanziellen Spielräume für eine Entlastung der Bürger. „Es werden nicht plötzlich sprudelnde Steuereinnahmen entdeckt“, sagte Schäuble der „Rheinischen Post“ zu Beginn der Frühjahrstagung des Arbeitskreises Steuerschätzung am Dienstag in Lübeck. Die FDP beharrt angesichts der Prognosen dennoch auf ihren Plänen.

Mehrere Mitglieder des Arbeitskreises hatten bereits angekündigt, dass Bund, Länder und Gemeinden in Zukunft mit geringeren Einnahmen rechnen müssten. Die Ergebnisse der Prognose will der Finanzminister am Donnerstag in Berlin vorstellen. „Ich erwarte keine großen Überraschungen. Wir kennen die gesamtwirtschaftliche Situation ziemlich genau“, sagte Schäuble vorab. Einzelne Mitglieder des Steuerschätzer-Gremiums äußerten sich ähnlich. Der Vertreter des saarländischen Finanzministeriums, Klaus-Peter Fox, sagte, dass aufgrund des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes gegenüber der letzten Prognose von November 2009 Ausfälle von 6 bis 7 Milliarden Euro zu erwarten seien.

Das Bundesfinanzministerium rechnet laut „Berliner Zeitung“ mit 40 Milliarden Euro Steuerausfällen bis zum Jahr 2013. Nach Informationen des Blatts geht die Prognose für die Steuerschätzung davon aus, dass im laufenden Jahr ein Minus von etwa zwei Milliarden Euro verzeichnet wird. Ab 2011 erwarten die Experten jedoch einen Ausfall von jährlich rund 14 Milliarden Euro auf der Basis früherer Schätzungen.

Einnahmeerwartungen nach unten korrigiert

Nach Informationen der SPD wird die Steuerschätzung in diesem Jahr rund 511 Milliarden Euro Einnahmen ausweisen und damit beim Wert der vergangenen Prognose im November 2009 liegen. Für 2011 müsse man aber damit rechnen, dass das Steueraufkommen rund zehn Milliarden Euro geringer ausfalle als erwartet, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Dienstag in Berlin. Auch in den Folgejahren dürften die Einnahmen deutlich niedriger sein als vorhergesagt. Dies bedeute, dass die FDP-Pläne für Steuersenkungen in Höhe von 16 Milliarden Euro „mausetot“ seien, sagte Oppermann.

Die FDP beharrt aber auch nach der milliardenschweren Rettungsaktion für Griechenland auf den im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuerentlastungen noch in dieser Wahlperiode. Partei-Chef Guido Westerwelle betonte, dass es keinen „fachlichen und sachlichen Zusammenhang“ zwischen der milliardenschweren deutschen Hilfe für Griechenland und der von der FDP verlangten Steuerentlastung gebe. Da lediglich Kredite einer Bank verbürgt würden, habe sie keine direkte Auswirkung auf den Haushalt, sagte Westerwelle. Die „eigentliche Garantie für ein sicheres Finanzsystem“ sei Wirtschaftswachstum.

Sechs Milliarden hinter dem Vorjahresergebnis

Der Vertreter im Arbeitskreis für das Kieler Institut für Weltwirtschaft, Alfred Boss, rechnet ebenfalls mit Mindereinnahmen: „Im Vergleich zur Prognose von vor einem Jahr fehlen ab 2011 Jahr für Jahr fünf bis neun Milliarden Euro“, sagte er dem „Handelsblatt“. Für 2010 erwartet er abermals sinkende Steuereinnahmen. Mit 513 bis 515 Milliarden Euro dürften sie um etwa sechs Milliarden hinter dem Vorjahresergebnis zurückbleiben, sagte der Steuerschätzer.

An der Steuerschätzung nehmen neben dem Bund unter anderem die Länder, die Gemeindeverbände, das Statistische Bundesamt und die Bundesbank teil. Insgesamt sind 35 Fachleute an den Gesprächen beteiligt. Der Arbeitskreis Steuerschätzung trifft sich im Frühjahr und im Herbst, um die Einnahmen des Staates vorauszuschätzen. Seine Arbeit ist Grundlage für die Etataufstellung in Bund und Ländern.