Abendblatt-Onlineredakteur Alfredo Garcia-Ziemsen zu der Sterbehilfe von Roger Kusch

Der Hamburger Ex-Senator Roger Kusch kämpft für die aktive Sterbehilfe. Einer knapp 80-jährigen Frau half er bereits, sich selbst zu töten. Sie hatte Angst vor dem Pflegeheim, also ließ Hamburg früherer Justizsenator sie sterben. Es war ihr freier Wille. Die alte Frau hat gesagt, dass sie nicht mehr leben will. Kusch hat das aufgezeichnet auf Video.

Zumindest nachvollziehbar ist eins: Niemand möchte glasigen Blicks in irgendeinem Rollstuhl einem einsamen Tod entgegendämmern. Aber kann nicht jeder Mensch eines Tages einmal die Hoffnung verlieren, die Kraft weiterzumachen? Und wann weiß ich, dass es einem Menschen wirklich ernst ist mit dem Todeswunsch?

Wenn er knapp 80 Jahre alt ist? Wenn er alleine ist oder kein Geld hat? Eine geschmacklose Gleichung mit unendlich vielen Unbekannten. Und gibt es den freien Willen überhaupt? Soviel Philosophie muss erlaubt sein, schließlich will Kusch standardisiert Gift durch die Venen aller Verzweifelten jagen. Kuschs Postulat einer freien Entscheidung ist in der sozialen Wirklichkeit schutzlos gesellschaftlichen Zwängen und sozialem Druck ausgeliefert. Denn wie verhindern, dass alte oder kranke Menschen von boshaften Angehörigen zum Sterben überredet werden?

Roger Kusch gibt sich als verwegener Ritter, der für Würde, der für Selbstbestimmung streitet. Aber das ist er nicht. Vielmehr liefert er den Menschen an seinen seelenlosen Automaten aus. Kusch hat den ersten Menschen auf seinem Altar verquerer Überzeugungen geopfert. Der Tod darf nicht bequem werden, darf nicht staatlich legitimiert werden. Er muss diese letzte Grenze bleiben, der letzte Schritt - die ultima ratio. Bevor wir Menschen helfen zu sterben, sollten wir ihnen helfen zu leben. Die alte Frau hatte Angst vor dem Heim. Das ist verständlich. Aber hätte man sie ihr nehmen können? Wir werden es nie erfahren.