Aufgebrachte Moslems drohen Europäern. Büro der Europäischen Union in Gaza belagert. EU-Kommission verschärft Sicherheitsmaßnahmen. Chef von französischem Boulevard-Blatt wegen Nachdruck der Karikaturen entlassen.

GAZA/PARIS. Aus Wut über Karikaturen des Propheten Mohammed haben aufgebrachte Palästinenser mehreren europäischen Ländern mit Gewalt gedroht. Jeder Däne, Norweger und Franzose in den Palästinensergebieten sei "eine Zielscheibe", erklärten das "gemeinsame Kommando" der radikalen Al-Aksa-Brigaden und das Komitee für den Volkswiderstand im Gazastreifen. Bewaffnete Männer umstellten das Büro der Europäischen Union in Gaza; die EU-Kommission verschärfte daraufhin die Sicherheitsmaßnahmen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen rief die moslemische Welt zu Vernunft und Ruhe auf.

Dänemark, Frankreich und Norwegen sollten ihre Büros und Konsulate in den Palästinensergebieten schließen, "sonst zögern wir nicht, sie zu zerstören", erklärten die beiden radikalen Gruppen. Ein Sprecher des Widerstandskomitees sagte, die Drohung sei ernstzunehmen und werde auf jedes Land ausgeweitet, in dessen Medien die umstrittenen Karikaturen nachgedruckt würden. Norwegen schloß daraufhin seine Vertretung im Westjordanland. "Wir nehmen diese Drohungen sehr ernst", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Oslo.

Etwa zwanzig bewaffnete Palästinenser belagerten das EU-Büro in Gaza, das aus Sicherheitsgründen gar nicht erst geöffnet worden war. "Bis auf Weiteres geschlossen", schrieben sie an die Eingangstür. Dänemark, Norwegen und Frankreich hätten 48 Stunden Zeit, sich für die Karikaturen zu entschuldigen, erklärten die beiden Gruppierungen. "Europäische Provokationen haben die Büros und europäische Kirchen in unsere Schußlinie gerückt."

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte in Brüssel, das Büro im Gazastreifen stehe unter Schutz; genauere Angaben machte sie nicht. Sie deutete an, daß die Palästinenser sich mit ihrer Drohung keinen Gefallen täten: "Die Kollegen, die in der Region arbeiten, sind normalerweise dort, um der palästinensischen Bevölkerung zu helfen. Wer Drohungen ausspricht, sollte daran denken." Die Kommission lehne die Anwendung von Gewalt ab. Wer seine Meinungsfreiheit ausnutze und die umstrittenen Bilder nachdrucke, habe in Europa im Übrigen das Recht dazu, weil dies nicht der Kontrolle der Regierungen unterliege.

Die französische Boulevardzeitung "France Soir" verteidigte den Nachdruck der umstrittenen Bilder. Zwar sei die Abbildung des Propheten Mohammed im Islam verboten, hieß es im Leitartikel der Zeitung. "Die Frage ist nur: Müssen sich alle, die keine Moslems sind, an das Verbot halten?" Eine Gesellschaft, in der sämtliche Verbote der verschiedenen Religionen gelten würden, sei kaum vorstellbar: "Was würde übrigbleiben von der Freiheit des Denkens, des Sprechens, des freien Kommen und Gehens?" Zudem würden bisweilen auch Bilder veröffentlicht, die für Christen schockierend seien, hieß es in der Zeitung.

Reporter ohne Grenzen rief zu "Vernunft und Ruhe" auf. Offenbar seien viele Moslems schockiert über die Karikaturen, die zunächst die dänische Tageszeitung "Jyllands-Posten" gedruckt hatte. Aufrufe zur Gewalt oder Drohungen seien aber "durch nichts" gerechtfertigt, erklärte die Organisation. "Die Zeitungen, die die Karikaturen veröffentlicht haben, gehören zu Ländern, in denen die Religion Teil der Privatsphäre ist: In dieser Tradition geht die Religionsfreiheit mit einer Ausdrucksfreiheit einher." Dazu gehöre es auch, daß man über Überzeugungen spotten dürfe, die man nicht teile.

Auslöser des Streits sind zwölf Karikaturen, welche die "Jyllands-Posten" im September unter der Überschrift "Die Gesichter Mohammeds" veröffentlicht hatte. Moslems in aller Welt verbrennen aus Empörung über die Bilder dänische Flaggen und rufen zum Boykott dänischer Produkte auf.

Mittlerweile ist der wegen des Nachdrucks der umstrittenen Mohammed-Karikaturen Chef einer Pariser Boulevardzeitung entlassen worden. Der franko-ägyptische Mehrheitseigner, Raymond Lakah, von "France-Soir" habe sich zugleich bei der muslimischen Gemeinschaft entschuldigt, berichteten französische Medien. Journalistenorganisationen protestierten scharf gegen die Kündigung Jacques Lefrancs.

Lefranc hält seinen Rauswurf für ungerechtfertigt. Die Entscheidung Lakahs, erscheine ihm "in der Form und in der Sache anfechtbar", teilte Lefranc in Paris mit. Er habe die Entscheidung des Aktionärs zur Kenntnis genommen und behalte sich rechtliche Schritte dagegen vor. Nach übereinstimmenden Äußerungen aus der Redaktion des Blattes erscheint der Direktor als "Sündenbock"", zumal er gegen die Veröffentlichung der Karikaturen gewesen sein soll. "Hier wird absurdes Theater gespielt", meinte ein Journalist.

In ihrer Donnerstagsausgabe verteidigt "France-Soir" die Entscheidung zur Veröffentlichung der Karikaturen. Das für Muslime geltende Verbot der Darstellung Mohammeds gelte nicht für die gesamte Gesellschaft. Frankreichs Außenminister Philippe Douste-Blazy distanzierte sich dagegen während eines Türkeibesuchs von der Zeitung. Inzwischen druckten auch andere deutsche und europäische Zeitungen die von der "Jyllands Posten" veröffentlichten Karikaturen nach.