Hamburg. Ein Unbekannter soll das Schlaflager der beiden Männer angezündet haben. Zeugen sahen den vermutlichen Täter flüchten.

Ein Unbekannter hat in der Nacht zum Dienstag an den St. Pauli Landungsbrücken das Schlaflager zweier Obdachloser angesteckt. Beide Männer wurden durch die Hitze wach. Sie überlebten verletzt und kamen zunächst in ein Krankenhaus. Die Mordkommission hat den Fall übernommen. Sie gehen von einem versuchten Tötungsdelikt aus. Wichtigster Ansatz der Beamten bei den Ermittlungen: Es gibt Zeugen, die den vermutlichen Täter weglaufen sahen.

In dem ebenerdigen Parkdeck in Höhe Brücke C, unter dem Beach-Club, in dem im Sommer Hamburger und Touristen feiern, hatten die Obdachlosen ihr Lager in einer Nische neben den Stellplätzen eingerichtet. Dort nächtigten sie zwischen ihren Habseligkeiten. „Sie haben schon seit einiger Zeit dort ihren Schlafplatz“, sagt ein Mann von Hamburg Wasser, der mit Kollegen öfter in der Gegend unterwegs ist, über die 32 und 43 Jahre alten Polen.

Obdachlose sahen Mann wegrennen

In der Nacht zum Dienstag schliefen die beiden Männer zwischen ihren aufgetürmten Sachen. Gegen 2.35 Uhr sahen Zeugen, wie es an der Schlafstätte brannte. Sie sahen auch einen Mann wegrennen. Die beiden Obdachlosen waren durch das Feuer selbst wach geworden. „Die Hitze hatte sie aufgeschreckt“, sagt ein Beamter. Beide brachten sich in Sicherheit. Sie entkamen den Flammen, wurden aber verletzt. „Beide haben leichte Verbrennungen der Kategorie 2a“, so ein Beamter.

Das bedeutet, dass durch die Verbrennung bereits Blasenbildung und Rötungen der Haut entstanden sind, aber eine Heilung ohne Narben zu erwarten ist. „Beide wurden nach ambulanter Behandlung wieder aus dem Krankenhaus entlassen, sagt Hauptkommissarin Heike Uhde.

Die Mordkommission sicherte, unterstützt von Brandermittlern, mehrere Stunden Spuren. Unter anderem wurde ein Feuerzeug sichergestellt, das wenige Meter neben dem abgebrannten Schlaflager auf dem Asphalt lag. Die Spuren an der Brandstelle selbst belegen, mit welcher Hitze das Feuer gewütet hatte. Plastikleitungen an der Decke sind auch noch einige Meter vom Brandort entfernt geschmolzen und auf den Boden getropft. Der Beton ist vom Ruß geschwärzt und die Farbe von der Wand weggebrannt. Für die Spurensicherung setzten die Ermittler einen Spürhund ein, der nach Brandbeschleuniger schnüffelte.

Von den beiden Opfern war zunächst keine Aussage zu bekommen, die die Ermittlungen voranbringt. Beide Männer waren zum Zeitpunkt der Tat auch angetrunken. Wertvoll sind dagegen die Zeugenaussagen von Passanten. Sie beschreiben einen höchstens 30 Jahre alten, dunkel gekleideten Mann, der vom Brandort flüchtete. Alarmierte Polizisten hatten noch nach ihm gefahndet. Das blieb aber ohne Erfolg.

Gewalt gegen Obdachlose verbreitetes Phänomen

Gewalt gegen Obdachlose ist ein mittlerweile verbreitetes Phänomen. Erst im Januar hatte die Polizei einen Zeugenaufruf gestartet, nachdem in St. Georg einer Frau aus der Obdachlosenszene die Kleidung angesteckt wurde. Der Fall konnte bislang nicht geklärt werden.

In der Nacht zum ersten Weihnachtsfeiertag zündeten in Berlin mehrere Männer in einem U-Bahnhof einen schlafenden Obdachlosen an. Sie setzten Papier in Brand, mit dem sich der Mann zugedeckt hatte. Zeugen bemerkten die Tat und löschten. Die Täter, sieben Flüchtlinge, wurden durch Bilder aus Überwachungskameras ermittelt. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen „gemeinschaftlich versuchten Mord“ vor.

Leblos, brennend auf dem Schlaflager

Im November entdeckten Polizisten in Köln bei einem Streifengang in einer Unterführung einen Obdachlosen, der leblos und brennend auf seinem Schlaflager lag. Bei ihm konnte durch einen Notarzt nur noch der Tod festgestellt werden.

Bundesweit sind im vergangenen Jahr laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) 17 Obdachlose gewaltsam ums Leben gekommen. Die meisten Todesfälle, neun, gab es danach im Zusammenhang mit Aus­einandersetzungen untereinander. In acht Fällen waren die Täter nicht selbst wohnungslos.

17 Obdachlose durch Gewalteinwirkung gestorben

Gegenüber dem Straßenmagazin „Hinz&Kunzt“ sagte Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer über Gewalt gegen Obdachlose: „Die Hemmschwelle scheint gesunken zu sein.“ In Hamburg habe es in den vergangenen Tagen mehrfach Übergriffe auf wohnungslose Menschen gegeben. Er verwies darauf, dass das Winternotprogramm allen Obdachlosen, auch aus den osteuropäischen EU-Ländern, offen stehen müsse.

Das tut es. Im vergangenen Jahr waren lediglich neun Prozent der Obdachlosen, die Einrichtungen zum Übernachten suchten, Deutsche. 60 Prozent kamen aus Ost- und Südosteuropa, 55 Prozent allein aus Polen, Bulgarien oder Rumänien. Sie sind oft schwer für die Notprogramme zu gewinnen.

Messerstecherei unter Obdachlosen

In Harburg hatte es vor wenigen Tagen eine Messerstecherei unter zwei Obdachlosen gegeben, die im dortigen Zentrumsbereich ihr Quartier aufgeschlagen und unter freiem Himmel übernachtet hatten. Firmen in der Umgebung hatten wegen der beiden Männer bereits einen Sicherheitsdienst angeheuert. Aus der Behörde hieß es dazu, dass man in der Vergangenheit trotz mehrerer Versuche keinen Zugang zu den Männern bekommen habe. Sie wollten sich nicht helfen lassen. Die Nutzung von Notprogrammen ist freiwillig.