Der EU-Parlamentspräsident habe lediglich einen technischen Fehler begangen, den die rechtsgerichteten Abgeordneten für ihren Protest ausnutzten, meint Avi Primor. Israelische Medien kommentieren kontrovers.

Tel Aviv/Berlin. Israels früherer Botschafter in Deutschland, Avi Primor, hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) gegen Kritik an dessen Rede vor der Knesset verteidigt: Schulz habe am Mittwoch „eine sehr schöne, eine sehr gute Rede“ gehalten, sagte Primor am Donnerstag dem Deutschlandfunk.

Dass Schulz Israel mit nicht verifizierten Zahlen vorgehalten habe, mehr Wasser als die Palästinenser zu verbrauchen, sei lediglich ein „technischer Fehler“ gewesen. „Das war eine gute Ausrede für die Rechtsextremisten zu sagen, er lügt.“

„Die Extremisten lauerten sowieso und suchten irgendeinen Fehler“, sagte Primor. Dabei stimme es „ganz und gar“, dass sich Israelis beim Wasser „viel besser bedienen“ als die Palästinenser.

Die „wütenden Attacken gegen Martin Schulz“ rührten daher, dass „die rechtsextremistischen Israelis, die Siedler und die Siedlerparteien und die religiösen Parteien die Europäer fürchten“. Denn in der EU werde eine Zwei-Staaten-Lösung verlangt, und die EU könne wirtschaftlichen Druck in diese Richtung ausüben.

Während Schulz' Rede am Mittwoch hatte die Fraktion der nationalreligiösen Siedler-Partei Jüdisches Heim unter lauten Protestrufen den Plenarsaal verlassen. Der Parlamentspräsident verteidigte sich in der „Welt“ selbst gegen die heftigen Reaktionen. Als Parlamentspräsident sei er verpflichtet, die Position der Europaabgeordneten darzulegen, und könne nicht nur „die Dinge sagen, die allen gefallen“.

Allerdings erntete Schulz auch aus den Reihen der EU-Parlamentarier Kritik. Schulz dürfe nicht „Europas Poltergeist in der Weltpolitik spielen“, erklärte der EU-Abgeordnete Herbert Reul (CDU) am Donnerstag. Die internationale Stärke der EU sei ihre Diplomatie, deswegen werde sie weltweit als sachlicher und vertrauenswürdiger Partner angesehen. Dem Anspruch müsse auch Schulz als einer ihrer höchsten Vertreter „gerecht werden“.

Geteiltes Medien-Echo in Israel

In den israelischen Medien wurde der Schulz-Eklat völlig gegensätzlich kommentiert. Zwar hoben sie am Donnerstag allgemein hervor, dass Schulz Israel wohl gesonnen sei. Die Geister spalteten sich jedoch bei der Bewertung der Reaktionen rechter Abgeordneter auf seine Äußerungen zur Wasserverteilung zwischen Israelis und Palästinensern sowie zur israelischen Blockade des palästinensischen Gazastreifens.

Die linksliberale Zeitung „Haaretz“ sprach von einem „Tiefpunkt“ der politischen Kultur in der Knesset, die einem peinlichen „Kindergarten“ gleiche. Die konservativere Zeitung „Maariv“ und das auflagenstärkste Blatt „Jediot Achronot“ warfen Schulz jedoch vor, er sei der Propaganda israelfeindlicher Organisationen auf den Leim gegangen, die von der EU finanziert würden. Abgeordnete der siedlernahen Partei „Jüdisches Haus“ hatten während der Rede von Schulz am Mittwoch schimpfend das Plenum verlassen.

Die Pressestimmen im Einzelnen:

„Haaretz“: Die Show von Provinzialität und Opfertum in der Knesset während der Ansprache des EU-Parlamentspräsidenten hat am Mittwoch alle Rekorde der Dummheit und Peinlichkeit in unserem Parlament gebrochen.

„Maariv“: Der europäische Parlamentspräsident ist kein Feind Israels – er will, dass es blüht und gedeiht, die Taten der Nazis schmerzen ihn und er ist gegen einen Boykott (Israels). Und hier ist das Problem: Sogar ein guter Mensch wie er ist in eine Falle getappt. Die Europäische Union finanziert eine Reihe von Organisationen, die ihr dann Informationen übermitteln, deren Schlussfolgerung immer dieselbe ist: Israel verstößt ständig gegen die Menschenrechte. Er (Schulz) kann oder will nicht wissen, dass diese Organisationen zumeist aus radikalen Linken bestehen, die eigentlich palästinensische Nationalisten sind, die Israels Existenz ablehnen. Sie würden alles tun, einschließlich Behauptungen, Manipulationen und Lügen, um den Eindruck zu erwecken, dass Israel den Palästinensern furchtbaren Schaden zufügt.

„Jediot Achronot“: Die statistischen Angaben, über die der EU-Parlamentspräsident in der Knesset gesprochen hat, sind nicht exakt, aber nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen nicht weit von der Realität entfernt. 113 000 Palästinenser im Westjordanland sind nicht an die Wasserversorgung angeschlossen, davon leben 50 000 unter israelischer Kontrolle.