Im Kampf gegen den Rechtsextremismus gibt es wirkungsvollere Methoden.

Zehn Morde werden dem Neonazi-Trio aus Thüringen zur Last gelegt - mindestens. Das ist erschreckend genug. Dennoch steht eine weit höhere Zahl von Tötungen und Körperverletzungen der vergangenen Jahre im Zusammenhang mit ähnlich verabscheuungswürdigen Tätern und ihrer Gesinnung, die sich selbst in der Tradition nationalsozialistischen Gedankenguts sieht.

Bisher deutet alles darauf hin: Die Ermittlungsbehörden und Verfassungsschutzämter müssen umdenken und ihr Augenmerk stärker auf die Besonderheiten rechter Straftaten richten. Eine Zentraldatei für rechtsextreme Gewalttaten ist ein erster Schritt in diese Richtung. Weitere müssen folgen.

Die reflexhafte Forderung von Parlamentariern unterschiedlicher Parteien, als nächste Konsequenz die NPD zu verbieten, gehört nicht in den Katalog der drängendsten Maßnahmen. Zu viele Fragen sind offen. Ist der NPD eine Verfassungswidrigkeit tatsächlich gerichtsfest nachzuweisen? Dann hätte sie längst verboten werden müssen, am besten geräuschlos, ohne die Begleitmusik eines aktuell populären Aktionismus. Zwar sind laut Umfragen 70 Prozent der Bundesbürger gerade für ein Verbot. Doch die obersten Verfassungsrichter entscheiden nicht nach saisonal schwankenden Stimmungen von Umfragen.

Als Reaktion auf die erschreckende Dimension der rechten Gewalttäter taugt ein Verbot schon gar nicht. Allein der über Jahre sich hinziehende Rechtsweg spricht dagegen. Hinzu kommt das Trauma eines bereits misslungenen Versuchs. 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert - bevor es zur Überprüfdung des NPD-Verbots ansetzte -, die stattliche Zahl der V-Leute in deren Führungsetagen abzuziehen. Eine Blamage, die nur wieder gutzumachen wäre, wenn ein neuer Verbotsantrag mit deutlich besseren Erfolgsaussichten auf den Weg gebracht werden könnte.

Auch der verständliche Unmut darüber, dass die NPD als (nicht verbotene) Partei je nach Wählerzustimmung Geld aus dem Steuertopf bekommt, ist kein tragfähiges Motiv, ein Finanzierungsverbot vorzuschlagen, wie es gerade der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) getan hat. Konsequent umgesetzt würde die Abschaffung dieser Finanzierungshilfen am Ende alle Parteien treffen und damit unserer bewährten Form der Demokratie mehr schaden als nützen.

So menschlich nachvollziehbar und ehrenwert der Ruf nach Verboten in diesen Tagen auch klingt: Unser Rechtsstaat hat wirkungsvollere Methoden. Zumal sich abstruse politische Verirrungen nicht per Gesetz aus der Welt schaffen lassen.

Bleiben wir bei den Fakten: Braunes Gedankengut stößt insbesondere dort auf fruchtbaren Boden, wo junge Menschen ohne Perspektive auf eine erfolgversprechende Zukunft nach Sündenböcken Ausschau halten. In einem Umfeld mangelnder Bildung gedeiht der Hass auf fremde Kulturen und fremde Menschen. Zum Widersinn verquerer Gedanken gehört es, dass ausgerechnet dort, wo der Anteil der Migranten in der Bevölkerung niedrig ist, die Angst vor Überfremdung am stärksten auftritt.

Der Weg aus den Irrungen ist mühsam und langwierig, aber das einzige Mittel, den Sumpf brauner Gedanken trockenzulegen: eine konsequente Hilfe mit dem Ziel, die sozial Benachteiligten aus ihrer Nische zu holen, mit Bildungs- und Arbeitsangeboten ihren Frust zu bekämpfen. Dass viele Hilfsprogramme in den letzten Jahren gestrichen wurden, rächt sich auf diese Weise. Aber es gibt auch hoffnungsvolle Ansätze. Tausende Bürger haben am Wochenende in Hamburg, Berlin und München gegen rechte Gewalt demonstriert. Und Experten sehen eine gewachsene Bereitschaft, aus der rechten Szene auszusteigen. Ganz ohne Verbote.