Das Bahnunglück von Rümpel wirft viele Fragen auf

„Und sie halten immer noch Bändchen“, witzelten die Menschen rund um das Dorf Rümpel bei Bad Oldesloe noch vor Monaten. Sie witzelten über zwei Männer, die ein Absperrband hielten, wo eigentlich eine Schranke den Verkehr regeln soll. Und das viele, viele Monate lang. Es war am Bahnübergang 28.1, benannt nach dem Kilometerstein, an dem die Kreisstraße 61 die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Lübeck kreuzt. Im April 2013 hatte dort ein Blitz die Signal- und Schrankenanlage außer Gefecht gesetzt. Sie funktioniert bis heute nicht. Nun ist mit einem Schlag Schluss mit den Witzeleien. Spott und Häme sind Wut und Trauer gewichen. Aus einer Posse ist eine Tragödie geworden. Eine Frau ist tot, in ihrem Kleinwagen von einem heranrasenden Zug überrollt auf Bahnübergang 28.1.

Wie es zu diesem Unfall kommen konnte, wen die Schuld daran trifft, werden in den kommenden Monaten Staatsanwälte ermitteln. Ein Richter wird später darüber urteilen, den oder die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Bei der strafrechtlichen Aufarbeitung des Unglücks von Rümpel wird aber eine wesentliche Frage unberücksichtigt bleiben. Es ist dieselbe, die sich stellte, als noch Spott und Häme regierten: Wie lässt sich erklären, dass es in Deutschland im Jahr 2014 unmöglich zu sein scheint, innerhalb von mehr als 19 Monaten eine Bahnschranke zu reparieren oder durch eine intakte zu ersetzen?

Das Absurde daran ist, dass es tatsächlich eine Erklärung gibt, auf die sich die Deutsche Bahn beruft: Es sind Vorschriften, Baugesetze. In Kurzform: Wer eine irreparabel erscheinende Schranke gegen eine neue ersetzt, muss dafür ein Planfeststellungsverfahren in Gang setzen. Wenn die Bahn also argumentiert, in Sachen Bahnübergang 28.1 bei Rümpel laufe alles besonders zügig, so mag das zwar sachlich richtig sein. Doch es ist kaum zu fassen, dass ein schwer zu durchdringendes Bauplanungsrecht in diesem Fall womöglich zu derart dramatischen Auswirkungen geführt hat.

Die Tragödie vom Bahnübergang 28.1 im kleinen Dorf Rümpel zeigt, dass der Gesetzgeber gefordert ist, damit sich ein solches Unglück dort und anderenorts nicht wiederholt.