Hamburg kommt ohne Schulden aus – dank solider Finanzpolitik und hoher Einnahmen

Auf den ersten Blick könnte sich der Eindruck einstellen, dass die Geschichte sich wiederholt. Im Oktober 2007, vier Monate vor der Bürgerschaftswahl, hatten Bürgermeister Ole von Beust und Finanzsenator Michael Freytag (beide CDU) öffentlichkeitswirksam und mit markigen Worten das Ende der Schuldenaufnahme angeordnet. Mehr noch: Eine erste Million der Milliarden an Altschulden wurde umgehend getilgt. Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt: Die CDU gewann die Wahl, koalierte mit den Grünen, im sicheren Gefühl des ausgeglichenen Haushalts wurden fröhlich neue Ausgaben beschlossen, es folgten Finanzkrise und Konjunktureinbruch, und am Ende standen Beust und Freytag für zwei Extreme: zwei Etats ohne Neuverschuldung, und zwei mit Rekordverschuldung von jeweils fast einer Milliarde Euro.

Am Dienstag nun, drei Monate vor der nächsten Wahl und im gleichen Raum des Rathauses, verkündete der aktuelle Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD), dass Hamburg 2014 keine Schulden machen werde. Und wenn es gut laufe, könne das auch für die kommenden Jahre gelten. Das wäre der Einstieg in die Schuldenbremse, fünf Jahre früher als vorgeschrieben. Angesichts der Duplizität der Abläufe drängt sich die Frage auf: Wie belastbar ist diese Aussage? Wie viel Wahlkampf steckt in den schönen Zahlen?

Die Antwort: Dahinter stecken ein kluges Konzept, politische Beharrlichkeit, eine ordentliche Portion Glück und eine Prise Wahlkampf.

Das ebenso kluge wie einfache Konzept besteht darin, dass dieser Senat sich mit Amtsübernahme Ausgabeobergrenzen auferlegt und diese später sogar per Gesetz festgelegt hat. Die Einprozentregel, wonach die Ausgaben nie stärker als um eben ein Prozent steigen dürfen, gehört inzwischen zum politischen Einmaleins der Hansestadt. Nur nebenbei: Das ist ein ziemlich scharfer Sparkurs – Universitäten, Theater und alle anderen städtischen oder von der Stadt bezuschussten Einrichtungen, deren Kosten nun mal stärker als um ein Prozent im Jahr steigen, können ein Lied davon singen.

Die politische Leistung des Senats besteht darin, dass er sich seit vier Jahren konsequent an dieses Konzept hält, auch gegen Widerstände. Die Steuerschätzungen gingen hoch und runter, es gab unerwartete neue Einnahmen, etwa durch höhere Zuweisungen des Bundes, und unerwartete Ausgaben wie für die Elbphilharmonie – doch der Senat hat seine Haushaltsplanung nie geändert. So war es nur eine Frage der Zeit, wann die Einnahmen, die im Mittel um etwa zwei Prozent pro Jahr steigen, die Ausgaben ein- oder sogar überholen.

Dass das nun schon 2014 der Fall sein wird und nicht erst 2017 oder 2019, ist aber eben auch eine glückliche Fügung des Schicksals: Denn die seit Jahren unermüdlich sprudelnden Steuereinnahmen sind ebenso wenig eine Leistung des Senats wie die historisch niedrigen Zinsen, die derzeit für die alten Kredite zu zahlen sind. Klug war in dem Zusammenhang allerdings, dass der Senat die optimistischen Prognosen der Steuerschätzer nie in Gänze zur Grundlage seiner Planung gemacht hat, sondern „Vorsichtsabschläge“ vorgenommen hat – das wird sich im absehbaren Konjunkturabschwung auszahlen.

Bleibt die Wahlkampffrage. Natürlich hätte sich die SPD, bei der „solide Finanzen“ im Wahlprogramm an oberster Stelle standen, so kurz vor der Bürgerschaftswahl kaum eine passendere Nachricht wünschen können. Dass der Senat nun sogar „beschlossen“ hat, dieses Jahr keine Schulden zu machen, widerspricht zudem der bisherigen Haltung, mit dem Thema eher defensiv umzugehen. Unterm Strich ist das jedoch keine auf Biegen oder Brechen erzwungene gute Nachricht, sondern verdienter Lohn solider Finanzpolitik. Oder eben das Glück des Tüchtigen.