Der Bundestag feiert 25 Jahre Mauerfall mit einem denkwürdigen Auftritt von Biermann

„Eine deutsche Revolution. Also keine“, sagte einst der große Schriftsteller Alfred Döblin. Bis 1989 hatte er stets recht behalten – ob 1848/49 oder 1918/19, der große Umsturz blieb aus. Lenin spottete sogar: „Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte!“

Es ist eine schöne Ironie der Geschichte, dass Lenin am Ende widerlegt wurde – und die deutschen Revolutionäre vom Oktober und November 1989 nicht nur einen Unrechtsstaat stürzten, sondern die gesamte verquaste Ideologie des Marxismus-Leninismus obendrein. Die Revolution von 1989 darf die Deutschen noch heute stolz machen. Möglich machten es – anders als der Kanzler der deutschen Einheit heute in seiner Verbitterung meint – der Mut der Bürger von Leipzig, die im Angesicht der Schützenpanzer demonstrierten. Und die Einsicht bis ins SED-Politbüro, dass dieser Staat nicht zu retten ist, zumindest nicht um den Preis eines Blutbades.

Der Fall der Berliner Mauer, der sogar die schlecht gelaunten Deutschen für wenige Stunden im November 1989 „zum glücklichsten Volk der Welt“ machte, wie Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Walter Momper äußerte, bleibt ein Meilenstein der Weltgeschichte. Glücklich, wer mit dabei war. Und bis heute ein Grund zur Freude.

Natürlich kann man auch 25 Jahre nach dem Mauerfall alles besser wissen und die Fülle der Fehler eines Vierteljahrhunderts aufzählen. Ja, aus der Deutschen Demokratischen Republik hätte man in der Bundesrepublik mehr übernehmen sollen als nur den grünen Pfeil und das Ampelmännchen. Es stimmt auch, dass sich viele blühende Landschaften heute eher als wuchernde Brachen entpuppen. Und die völlige Angleichung der Lebensverhältnisse bleibt auch im Jahr 2014 noch Utopie.

Aber wer heute die Erfolge in Ostdeutschland kleinredet, vergleicht Äpfel mit Birnen beziehungsweise Vorpommern mit Bayern. Im Westen, ob im Harz, dem Ruhrgebiet oder der Eifel, gibt es wie jenseits der Elbe ziemlich arme Regionen. Zugleich haben sich in Sachsen oder Thüringen Wachstumszentren entwickelt, die wiederum dem Westen zum Vorbild gereichen.

Leider sind viele Erfolge noch nicht in den Köpfen der Deutschen angekommen, die dort das Elend der 90er-Jahre konservieren und das Erreichte übersehen: In Thüringen sind heute sieben Prozent der Menschen ohne Arbeit – übrigens weniger als im stolzen Hamburg. Und die größten Sorgenkinder der Agentur für Arbeit heißen nicht mehr Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt, sondern Berlin und Bremen.

Nicht nur die Wirtschaftsräume, auch die Bürger im Land wachsen zusammen. Bei allen regionalen Vorbehalten, die in einem vielfältigen Land normal sind – vor 25 Jahren war der andere deutsche Staat für junge Menschen Ausland. Seitdem sind knapp 1,5 Billionen – also 1500 Milliarden – Euro Transferzahlungen geflossen; ohne größeres Murren. Das, liebe Nörgler, ist Solidarität.

Wenn die Linkspartei heute in Ostalgie schwelgt oder geschickt die schlechte Laune der Wendeverlierer in Wählerstimmen kanalisiert, dann mag man das ärgerlich finden. Aber, auch das ist eine gute Nachricht, das hält die Republik aus.

Der Hamburger Wolf Biermann nannte die Linke bei seinem denkwürdigen Auftritt in der Feierstunde im Bundestag den „elenden Rest dessen, was zum Glück überwunden ist“. Und dann spielte er sein Lied „Ermutigung". Das damals beliebteste Lied in den Gefängnissen der DDR erklang nun im Deutschen Bundestag. Biermann fand es herrlich. Nicht nur er.