Volksbegehren: Zurück zum längeren Abitur am Gymnasium ?

Das Herz sagt: Warum nicht? Der Kopf sagt: Nein. Warum sollen die Hamburger Gymnasiasten nicht wieder ein Jahr länger bis zum Abitur zur Schule gehen? Weniger Stress, mehr Freizeit und Freiheit, wie schön! Und früher war es doch mit den 13 Jahren (vier auf der Grundschule, neun auf dem Gymnasium) irgendwie auch ganz in Ordnung. Nein, weil man heute die Konsequenzen einer solchen Entscheidung bedenken sollte, ja muss.

Wer seinem Kind heute zutraut, den schnelleren Weg zum Abitur in acht Jahren zu gehen, der schickt es auf das Gymnasium. Die Stadtteilschulen bieten die Reifeprüfung nach neun Jahren an. Eigentlich eine klare Sache. Welchen Grund soll es für Eltern, die ihrem Kind etwas mehr Zeit zum Lernen und zur Reifung wünschen, in Zukunft noch geben, die Stadtteilschule zu wählen, wenn auch das Gymnasium G9 anbietet?

Im laufenden Schuljahr wurden 55 Prozent der Fünftklässler auf einem Gymnasium angemeldet – ein Rekordwert. Mit G9 am Gymnasium könnten es leicht 60 oder 65 Prozent werden. Den Stadtteilschulen würden dann die leistungsfähigsten Schüler am Start fehlen. Mit dramatischen Folgen: An etlichen Standorten würde es sehr schwer werden, noch genug Schüler für den Betrieb einer Oberstufe zu haben. Einige Standorte würden wohl wieder bessere Haupt- und Realschulen werden. „Und was habe ich damit zu tun?“, können Sie fragen.

Die Wahrheit lautet: Wenn Ihr Kind den Anforderungen des Gymnasiums – ob G8 oder G9 – nicht gewachsen ist, muss es auf die Stadtteilschule wechseln. Und wer weiß schon im Voraus so sicher, wie sich das eigene Kind entwickeln wird? Da ist es besser, die zweite Säule unseres Schulsystems, die Stadtteilschule, nicht aus dem Blick zu verlieren.

Im Grunde ist es doch so: Eltern wünschen sich für ihre Kinder guten, fördernden und fordernden Unterricht. Und der ist ganz sicher nicht von der Dauer der Schulzeit abhängig. An G8-Gymnasien kann guter, aber auch schlechter Unterricht gemacht werden. Und umgekehrt: Auch das schönste G9-Konzept können unmotivierte Lehrer kaputt machen. Lösen wir uns doch endlich von den ideologisch geprägten Debatten über die Schulstruktur! Die wirklichen Baustellen sind andere: Ganztag, Inklusion und – nicht zuletzt – der Unterrichtsausfall. Das große Ziel ist doch zudem, dass das Hamburger Abitur im Bundesvergleich endlich einen höheren Stellenwert bekommt. Und die Kritik am Wert des Abis gab es schon zu den vermeintlich seligen G9-Zeiten. Die G9-Debatte lenkt da nur ab.