Volksbegehren: Zurück zum längeren Abitur am Gymnasium ?

Nicht nur ältere Schlachtrösser wissen aus Erfahrung: Schul- und Studienjahre sind mit die schönste und freieste, indes auch die prägendste Zeit des Lebens. Für Mathe, Latein oder Deutsch werden Weichen gestellt – für die Entwicklung und Persönlichkeit nicht minder. Ein bisschen Freizeit gehört dazu.

Die Verkürzung der gymnasialen Ausbildung um mehr als zehn Prozent war ein Fehler, der rasch revidiert werden muss. Denn die aktuelle Praxis, das wissen leidgeprüfte Schüler, Lehrer und Eltern, sieht so aus: Unterricht teilweise bis 16 Uhr und manchmal obendrein noch Hausaufgaben. Kommen dann noch Vorbereitungen auf geballte Hausarbeiten oder Konfirmandenunterricht hinzu, ist die Woche fast komplett verplant – und zwar praktisch von der fünften Klasse an.

Turbo-Abi mag nach Fortschritt klingen, tatsächlich überwiegen Nachteile. Niedersachsen, wohlgemerkt nicht großbürgerlich, sondern Rot-Grün regiert, kehrt im Sommer 2015 zum neunjährigen Gymnasium zurück.

Bei G8 bleibt immer weniger Freiraum und Freiheit, zum Beispiel für Sport, Musik oder Arbeitsgemeinschaften wie „Jugend forscht“, Theater und Kunst. Oder einfach nur zum Bolzen oder zum Spielen, um Kopf wie Seele vorübergehend auf Entspannung zu schalten.

Das ist ein Jammer; denn die harten Jahre kommen früh genug. Kampf um eine Lehrstelle, hohe Anforderungen beim Numerus clausus mit komprimierter Studiendauer, ein in der Regel beinharter Wettbewerb um qualifizierte Arbeitsplätze verschärfen den Leistungsdruck weiter.

Nun sind solche Probleme mit einem Jahr länger nicht automatisch gelöst, aber ein bisschen entzerrt. Zudem ist die Qualität eines Abiturs nach acht Jahren umstritten. Ziel des am Donnerstag gestarteten Volksbegehrens ist eine Verbesserung beider Schulformen, der Stadtteilschule ebenso wie des Gymnasiums. Außerdem will die Initiative keinen Zwang ausüben, sondern den Eltern – in Absprache mit ihren Kindern – Wahlfreiheit gewähren. Gemeinsam soll von Fall zu Fall bestimmt werden, wo es wie weitergeht. Bei flexiblem Geist und gutem Willen ist eine solche Umstellung intelligent zu bewältigen, ohne den Schulfrieden zu gefährden.

Nicht nach acht oder neun Jahren, sondern erst sehr viel später bestätigt sich die Erkenntnis wahrhaft weiser Vordenker: non scholae, sed vitae discimus. Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir.

Das geht nicht nur die Betroffenen, das geht uns alle eine Menge an.