Warum die kommende Bürgerschaftswahl in Hamburg eine ganz besondere wird

Es ist erstaunlich, wie viel schon jetzt über die Hamburger Bürgerschaftswahl gesprochen wird, obwohl die ja erst für den Februar kommenden Jahres geplant ist. Das liegt zum einen daran, dass die Liberalen die Entscheidung in Hamburg zur endgültigen Abstimmung über das Schicksal der FDP hochreden. Nach dem Motto: Wenn man nicht in einer weltoffenen Stadt wie Hamburg und mit so einer populären Spitzenfrau wie Katja Suding den Einzug in ein Parlament schafft, wo denn dann? Die Bürgerschaftswahl ist jetzt, ungeachtet der vorher anstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg, Tag X in der Geschichte der FDP, seit sie den Bundestag verlassen musste. Katja Suding, der schon vor vier Jahren in der Hansestadt Unglaubliches gelang, muss diesmal etwas Unmögliches schaffen. Oder die FDP verschwindet in Deutschland endgültig aus der Reihe der Parteien, mit denen man bei Wahlen rechnen muss.

Das Verrückte dabei ist, dass zwischen dem Ausscheiden aus der Bürgerschaft und einer (möglichen) Beteiligung am Senat nur wenige Prozentpünktchen liegen könnten. Denn sollte die FDP den Einzug ins Hamburger Parlament schaffen, wäre sie eventuell ein Koalitionspartner für Olaf Scholz und die Hamburger SPD. Vorausgesetzt, dem Bürgermeister gelingt nicht noch einmal eine absolute Mehrheit. Normalerweise ist das in diesen Zeiten bei einer Wahl in Deutschland ausgeschlossen, zumal, wenn man bereits vier Jahre lang allein regiert hat. Olaf Scholz könnte es trotzdem gelingen, auch wenn er mit Dietrich Wersich (CDU) diesmal einen weitaus stärkeren Gegner hat als bei seinem ersten Sieg. Damals war der amtierende Bürgermeister Christoph Ahlhaus gegen den Herausforderer Scholz chancenlos – aber, mal ehrlich: Wer hätte gedacht, dass die SPD in der kompletten Legislaturperiode die Opposition auf immer gleicher Distanz halten würde? Mehr noch: Zwischenzeitlich erreichten die Sozialdemokraten um den immer beliebter werdenden Olaf Scholz bei Umfragen sogar mehr als 50 Prozent. Selbst in den schwierigsten Wochen seiner Regierungszeit, als sich die Stadt über die Gefahrengebiete und den Umgang mit den Lampedusa-Flüchtlingen aufregte, wäre die SPD auf eine absolute Mehrheit gekommen.

Und heute, wenige Monate vor der Wahl, spricht sich der Chef des Industrieverbands Hamburg dafür aus, dass der Bürgermeister allein weiterregieren soll – SPD, was willst du mehr? Bei anderen Politikern könnte man darauf hoffen, dass sie angesichts solcher Sätze irgendetwas zwischen unvorsichtig und größenwahnsinnig werden. Bei Olaf Scholz ist das, aus Sicht der Opposition: leider kaum zu erwarten.

Der Bürgermeister weiß um die einmalige Chance, aus der Wahl erneut als großer Sieger hervorzugehen und dann sogar fünf Jahre ohne lästigen Koalitionspartner reagieren zu können. Er weiß auch, dass ihn ein starkes Ergebnis im Februar innerhalb der Bundes-SPD zum mit Abstand erfolgreichsten Wahlkämpfer machen würde – was ja in den kommenden Jahren auf Bundesebene noch einmal von Bedeutung sein könnte. Wobei Scholz‘ Neigung, in Berlin noch einmal etwas (beziehungsweise: etwas mehr) zu werden, in den Jahren als Bürgermeister abgenommen hat.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Natürlich wird es strittige Themen im Wahlkampf geben, allen voran die Verkehrs-, aber auch die Energie- und wie immer die Bildungspolitik des Hamburger Senats. Aber aus heutiger Sicht ist kaum vorstellbar, dass der Vorsprung der SPD und ihres Spitzenkandidaten dadurch in Gefahr geraten könnte. Das größte Risiko für Scholz und die Seinen ist tatsächlich ihre Übermacht, durch die SPD-Anhänger das Gefühl erhalten könnten, die Wahl sei schon entschieden, und sie müssten gar nicht hingehen ...