Torsten Albig offenbart Schwächen im Krisenmanagement um seine Bildungsministerin

Im Kieler Kabinett verdreht schon manch einer in stiller Verzweiflung die Augen. Die Bildungsministerin Waltraud Wende bestimmt mal wieder die Schlagzeilen in Schleswig-Holstein. Was sonst noch politisch läuft, spielt keine Rolle. Das nervt diejenigen Minister, die fleißig ihre Arbeit machen. Schlimmer noch: Ein Ende der Wende-Zeit ist nicht in Sicht. Die Staatsanwaltschaft wird sicher noch eine Weile brauchen, um all die Akten zu sichten, die sie am ersten Schultag in Schleswig-Holstein bei einer Razzia im Bildungsministerium, in der Staatskanzlei und in den Wohnungen der Ministerin eingesammelt hat. Die Opposition ist hingegen beglückt. Sie beschenkte sich am Donnerstag mit einer Sondersitzung des Landtags – und sieht sich schon auf der Siegerstraße.

Die Wahrheit ist, dass Schleswig-Holstein gerade eine Wende zum Schlechten macht – und auf die Verliererstraße einbiegt.

Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) offenbart in der Krisenbewältigung ungewohnte Schwächen. Gern reist er als freundlicher Landesvater durchs Land. Jetzt, wo es hart auf hart kommt, keilt er zurück. Wo er versöhnen müsste, spaltet er. Kritiker bezeichnet er schon mal als Menschen, „die gar nicht klein genug sein können, als dass sie versuchen, aus ihrer Kleinheit mit Schmutz zu werfen“. Albig, so scheint es, hat zur Mitte seiner ersten Amtszeit die Mitte verloren.

Die CDU, die größte Oppositionspartei, hat sich lange erfolglos an Wende und an ihrer Bildungspolitik abgearbeitet. Die umstrittene Rückkehrvereinbarung hätte Munition genug geliefert, um entschlossener aufzutreten. Stattdessen zaudern die Christdemokraten. Die Äußerungen von Torsten Albig, die die Opposition gestern missbilligen lassen wollte, stammen aus dem Mai, sind also schon fast vier Monate alt. Und statt ihren besten Redner, Daniel Günther, aufs Landtagspodium zu schicken, hielt der Fraktionschef Joachim Callsen eine seiner sattsam bekannten phrasenhaften Reden. Durchschlagskraft sieht anders aus.

Waltraud Wende, die Bildungsministerin, hat in den vergangenen Wochen viel Respekt verloren. Die E-Mails, in denen sie die Flensburger Uni-Granden auffordert, ihr doch endlich eine Rückkehrmöglichkeit einzuräumen, sind in jeder Hinsicht verheerend. „Und bitte, Herr Kupfer, machen Sie Letzteres nicht wieder so kompliziert“, schreibt sie an den Kanzler der Universität Flensburg, als es um die Leistungszulage in ihrer Rückkehrvereinbarung geht. So demontiert man sich selbst – selbst dann, wenn es nur eine Formulierung in einer internen Mail ist.

Auch die Staatsanwaltschaft Kiel hat mit ihrer Razzia im Regierungsviertel für Verwunderung gesorgt. Ein fast vier Wochen alter Beschluss wird ausgerechnet am ersten Schultag umgesetzt. Die Staatsanwaltschaft hat hinterher erklärt, dies sei aus Rücksichtnahme geschehen; man habe Wendes Wohnungen nicht während ihrer Urlaubszeit durchsuchen wollen. Seltsam nur, dass der Großeinsatz nicht den Eindruck erweckte, hier handele jemand rücksichtsvoll. Die Staatsanwaltschaft muss ihre Maßnahmen und deren Außenwirkung dringend überdenken – sonst könnte sie sich dem Verdacht aussetzen, mit zweierlei Maß zu messen.

Im Landtag ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Die harten Debatten über die Ministerin haben ihre Spuren hinterlassen. Dabei stehen wichtige Entscheidungen an. Die Reform der Landesverfassung, die Verbesserung der Inklusion – die Fraktionen müssen jetzt aufeinander zugehen.

Und sie müssen abrüsten. Fast lustvoll wird in Kiel die Razzia im Regierungsviertel, in der Staatskanzlei, als „erste Razzia seit der Barschel-Affäre 1987“ beschrieben. Nein, Barschel ist nicht wieder auferstanden. Es ist nur Wende-Zeit – mehr nicht.

Der Autor ist Norddeutschland-Korrespondent des Abendblatts