Das Nein zur Seilbahn zeigt: Bürger lassen sich nicht mit schönen Versprechen locken

„Die Kunden in der Stadt sind anders als am Berg.“ Dieser Satz, den Seilbahnbauer Michael Doppelmayr in einem Interview im heimischen Vorarlberg äußerte, hat sich jetzt in seiner ganzen Tiefe bewahrheitet: Die potenziellen Kunden in der Mitte der Stadt Hamburg haben sich gegen das Seilbahn-Projekt ausgesprochen, das sich Doppelmayr und der Musicalmacher Stage so schön ausgedacht hatten.

Hamburg muss vorsorgen. Das Rotlichtvergnügen auf St. Pauli schrumpft, der Familien- und Event-Tourismus nimmt zu, warum also keine attraktiven Fahrgeschäfte?, hatten sie sich gedacht. Und was hatten sie nicht alles versprochen: Von Wilhelmsburg über die Elbe zum Dom sollte man gondeln können, lärm- und CO2-frei, völlig verkehrsneutral, ohne zusätzlichen Parkplatzbedarf. Nur sieben Bäume hätten für einen der „filigranen“ Pylone im Alten Elbpark fallen müssen, wo die Ex-Senatorin und Seilbahnbefürworterin Herlind Gundelach ohnehin nur Menschen sichtet, die „Bier trinken und ihren Hund spazieren führen“.

Letztlich waren es Nebensätze wie dieser, die bei den Bürgern des Bezirks Mitte nicht gut angekommen sind. Ein öffentlicher Park – so sanierungsbedürftig sein Grün und so bierselig seine Besucher auch sein mögen – muss nicht für einen privaten Musicalzubringer geopfert werden. In der Melodie der schönen Versprechen klangen immer wieder ein paar Takte falsch. Bis Wilhelmsburg hätten die Gondeln sowieso nie schweben dürfen. Und „filigran“ ist im Bezirk Mitte inzwischen das Un-Wort des Jahres: Man muss schon krampfhaft zu solchen Euphemismen greifen, um einen 92-Meter-Pylon klein und beiseite zu reden. Da half auch der Paukenschlag mit der Zehn-Millionen-Spende nichts mehr, der den Bürgerentscheid befeuern sollte.

Wenn in Vorarlberg eine Seilbahn oder eine Aussichtsterrasse gebaut werden soll, hatte Michael Doppelmayr gesagt, dann gehen ein paar Unternehmer und der Bürgermeister zusammen ins Wirtshaus oder auf die Jagd, und „dann wird gemacht“. In Hamburg ist alles weitaus komplizierter. Hier gibt es zwar einen Bürgermeister, aber der ist kein Jäger. Und alles ist viel dichter bebaut, irgendeiner von der SPD wohnt immer neben dem geplanten Projekt, macht im Hintergrund Rabatz, der Senat spielt den Ball lieber in den Bezirk weiter, und der dribbelt dann die Luft raus... Also, dachten sich die Seilbahnbauer, initiieren wir doch eine Volksabstimmung und rollen der Stadt damit den Ball zurück vor die Füße.

Die Bürger in Hamburg-Mitte sind nicht aufmüpfiger als die Bürger in Vorarlberg. Aber es gibt ein paar Dinge, bei denen sie empfindlich geworden sind: bei Großbauten am Hafen, beim Anlocken großer Menschenmassen und der Vernichtung letzter Parkplatzreserven. Und so kam es, dass eine urige Mischung aus Lokalhistorikerinnen, Teilzeitpiraten, Eventgeschädigten, Esso-Aktivistinnen und Hafen-Traditionalisten den Ball übernahm und jenes Tor traf, das die Ex-Senatorin und der spendenfreudige Doppelmayr verfehlten: Volkes abwägende Vernunft.

„Toleranz ist der Verdacht, dass der andere recht hat“, sagte Kurt Tucholsky. Mit ein paar Überlegungen lagen die Seilbahnbefürworter ja durchaus richtig: Nicht alles Neue muss gleich schlecht sein, und Musicals sind nun mal ein Hamburger Publikumsmagnet – nur muss man deshalb nicht die Uferlandschaft mit Pylonen vollstellen.

Aber Hamburg könnte sich zur Abwechslung mal wieder mit anspruchsvolleren Events ins Gespräch bringen statt nur mit wassernahen Volksfesten. Und es gibt keinen Grund, mit der Sanierung des Alten Elbparks länger zu warten. Letztlich also rückt der Bürgerentscheid die Koordinaten wieder zurecht. Und Herr Doppelmayr kann wieder in Ruhe jagen gehen.