Der Sanierungsstau bei Brücken muss beendet werden

Nicht nur Straßen und Autobahnbrücken, auch Eisenbahnviadukte sind in Deutschland marode, sehr marode zum Teil. Wirklich überraschen kann das niemanden mehr. Die Deutsche Bahn betont zwar, dass selbst die baufälligsten Brücken keine Gefährdung für die Sicherheit von Passagieren und Passanten darstellten. Trotzdem wird mancher Auto-, Radfahrer oder Fußgänger, über den auf einer Brücke in Hamburg ein ICE rattert, jetzt ein etwas mulmiges Gefühl haben.

Wie konnte es soweit kommen, dass in einem hochtechnisierten und wohlhabenden Land die Infrastruktur derart unter die Räder geraten ist? Das alte, kamerale System öffentlicher Haushalte hat dazu eingeladen wegzuschauen. Anders als bei Privatunternehmen wurden (und werden zum Teil immer noch) Abschreibungen von Investitionen nicht bilanziert. Der einst neu angeschaffte Polizeiwagen, um ein anderes Beispiel zu nehmen, war laut Haushaltsplan im Prinzip nach zehn Jahren immer noch neu, obwohl er nun dringend ersetzt werden musste. Oder anders ausgedrückt: Der faktische Wertverlust war über die Jahre im Haushalt nicht sichtbar und spielte insofern kaum eine Rolle.

Wem diese Begründung zu technisch ist, dem sei eine etwas lebenspraktischere Erklärung hinzugefügt. Mit der Sanierung von Brücken, Straßen und Wasserstraßen können Politiker kaum Wahlen gewinnen. Beeindruckende neue Projekte ziehen viel besser als eine neue Asphaltdecke oder ein Brückenersatz. Es ist noch schlimmer: Wird der Sanierungsstau ernsthaft angegangen, wie etwa in Hamburg im Bereich Straßen, dann regt sich schnell Protest, wenn die Baustellen zu Staus führen. So ging die Erneuerung der Bahnbrücke neben dem Dammtorbahnhof unmittelbar am verkehrsreichen Theodor-Heuss-Platz als „schlimmstes Nadelöhr“ in die jüngere Stadtgeschichte ein.

Sicher: Die vernünftige Koordinierung von Baustellen ist eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Aber es kann kein Zweifel an der Notwendigkeit der Sanierung unserer Verkehrsinfrastruktur geben. In den USA sind schon Brücken eingestürzt. Soweit darf es nicht kommen.