Die Bauwerke sind derart marode, dass sie umgehend ersetzt werden müssen. Grüne fordern jetzt „baldmöglichste“ Umsetzung

Hamburg/Berlin. Zustandskategorie 4 – das klingt neutral und insofern erst einmal harmlos. Doch wenn die Deutsche Bahn die Stufe 4 zum Beispiel für den Zustand einer Eisenbahnbrücke vergibt, dann müssen die Alarmglocken schrillen. Dann lautet die Experteneinschätzung: „Gravierende Schäden am Bauwerksteil, welche die Sicherheit noch nicht beeinflussen. Eine wirtschaftliche Instandsetzung ist nicht mehr möglich.“ Man kann es auch anders ausdrücken: Eine solches Bauwerk ist baufällig.

Exakt 14 der 373 Eisenbahnbrücken in Hamburg tragen das Prädikat Kategorie 4, sind also baufällig. Das hat die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Valerie Wilms (Pinneberg) und Anja Hajduk (Hamburg) mitgeteilt. Unter den besonders maroden Bauwerken sind die beiden Straßen-Überführungen am Ferdinandstor (neben der Kunsthalle), die Eisenbahnbrücke am S-Bahnhof Sternschanze und die Brücke über den Dammtordamm am Dammtorbahnhof, die teilweise schon erneuert wurde. Diese Brücken sind Teil der viel befahrenen Verbindungsbahn vom Hauptbahnhof über Dammtor nach Altona.

Hajduk und Wilms fordern die Bahn auf, einen Sanierungsplan zu erstellen, „um das latente Risiko zu minimieren“. Obwohl der Bahn die gravierenden Probleme an den Brücken seit Jahren bekannt seien, würden die dringend erforderlichen Renovierungsarbeiten nicht angegangen. „In besonders kritischem Zustand befinden sich die Brücken auf der Verbindungsbahn. Eine komplette Erneuerung einiger Brücken steht jetzt dringend an“, sagen Hajduk und Wilms. Die Grünen-Politikerinnen fordern, dass die Arbeiten „baldmöglichst“ koordiniert werden. „Fahrgäste aus Schleswig-Holstein wären von möglichen Streckensperrungen besonders betroffen“, so Wilms.

„Die 14 Brücken sollen im Laufe der nächsten zehn bis 15 Jahre erneuert werden“, sagt Egbert Meyer-Lovis, Bahnsprecher für den Bereich Nord. Die Sanierungen seien Teil der aktuellen Planungen der Bahn Netz AG. Die nächsten Projekte seien die Erneuerung der Streckenkreuzung am Berliner Tor (Hamburg–Berlin) und der Sternbrücke. Meyer-Lovis: „Bei diesem Projekt laufen die Vorplanungen mit der Stadt, und die Kosten werden ermittelt. Es geht ja hier um ein Gemeinschaftsprojekt.“ Das klingt aus der Verkehrsbehörde ganz anders. „Die Sanierung der Eisenbahnbrücken fällt ausschließlich in die Zuständigkeit der Deutschen Bahn. Da hat Hamburg keine Einflussmöglichkeit“, sagt Behördensprecherin Helma Krstanoski. Nur wenn der Straßenverkehr betroffen sei, werde die Stadt bei der Suche nach Lösungen beteiligt. Wie teuer die Sanierung aller baufälligen Eisenbahnbrücken in Hamburg wird, konnte Bahnsprecher Meyer-Lovis nicht sagen. Bahnexperten hatten den Investitionsbedarf der Bahn in Hamburg Ende 2013 auf 600 Millionen Euro taxiert. In diese Summe war die Erneuerung veralteter Stellwerke und maroder Weichen mit eingeflossen. Die Kosten für den Neubau der Eisenbahnbrücke am Dammtorbahnhof belaufen sich auf rund 20 Millionen Euro.

Doch der Sanierungsstau erstreckt sich auf weit mehr als die 14 baufälligen Brücken. Weitere 98 Überführungen in Hamburg ordnet die Bahn der Zustandskategorie 3 zu. „Umfangreiche Schäden am Bauwerksteil, welche die Sicherheit nicht beeinflussen. Eine Instandsetzung ist noch möglich, ihre Wirtschaftlichkeit ist zu prüfen“, lautet die dazu gehörige Beschreibung. Bundesweit sind 10.000 der knapp 25.000 Bahnbrücken älter als 100 Jahre. Rund 1200 Bauwerke müssen dringend saniert werden. Jährlich zwei Milliarden Euro stellt der Bund als Bahn-Eigentümer für Erhalt und Sanierung bereit. Noch einmal je 250 Millionen Euro, die vor allem in Brücken investiert werden sollen, kommen 2013 und 2014 hinzu.