Das historische Zinstief bietet auch einen Ausweg aus der Verschuldung der Stadt

Finanzsenatoren, gleich welcher Partei, kokettieren gern mit einer Erkenntnis, die nur auf den ersten Blick paradox erscheint. „Je höher die Einnahmen“, so stöhnen sie mitunter, „desto schwieriger das Regieren.“ Gemeint ist das als Anspielung auf die politische Zwickmühle, die sich aus einer guten finanziellen Lage ergeben kann: Von der einen Seite kommen dann die Sozial-, Lokal-, Umwelt- oder Verkehrspolitiker und fordern mehr von dem üppig vorhandenen Geld für Jugendhäuser, bezirkliche Grünanlagen oder Straßen. Und von der anderen Seite nehmen einen die Haushälter in die Zange und fordern, jetzt ja das Schuldenmachen zu beenden.

So gesehen – und nur so – kommt es für Bürgermeister Olaf Scholz und seinen Finanzsenator Peter Tschentscher gerade knüppeldick. Denn die beiden Strategen des SPD-Senats verfügen seit Amtsübernahme nicht nur über kräftig steigende Steuereinnahmen, sondern sie dürfen sich auch noch über eine Entlastung historischen Ausmaßes erfreuen, ausgelöst von der Krise in Südeuropa. Ländern wie Griechenland, Italien, Frankreich oder Spanien versucht die Europäische Zentralbank (EZB) mit billigem Geld auf die Beine zu helfen, und diese Niedrigzinspolitik schlägt nun voll auf die öffentlichen Haushalte in Deutschland durch: Diese Woche hat Hamburg sich eine halbe Milliarde Euro am Kapitalmarkt geliehen und muss dafür 1,0 Prozent Zinsen zahlen, so gut wie nichts. Im Gegenzug können teure Altkredite abgelöst werden, das schafft neue Spielräume.

Hohe Einnahmen auf der einen Seite, sinkende Ausgaben auf der anderen – in Wahrheit ist das natürlich eine politisch äußert komfortable Situation. Nur zum Vergleich: Zinsen in Höhe von umgerechnet gut 750 Millionen Euro, wie im vergangenen Jahr, hat Hamburg schon zu Zeiten von Bürgermeister Henning Voscherau Anfang der 90er-Jahre gezahlt, allerdings aus einem nur halb so großen Etat und für nicht einmal die Hälfte der Schulden.

Tatsächlich nutzen Scholz und Tschentscher die Spielräume auch fleißig. Ob Abschaffung der Studien- und Kitagebühren, Einstellung Hunderter neuer Lehrer oder Sanierung der Straßen – alles ist möglich, und das fast ohne erkennbare große Einschnitte an anderer Stelle. Zu behaupten, das sei nur dem Steuersegen und den niedrigen Zinsen geschuldet, wäre zwar ungerecht. Denn die rigide Vorgabe an alle Behörden, die Ausgaben nie um mehr als ein Prozent zu steigern, ist angesichts kräftig steigender Löhne eine harte Sparauflage. Doch Steuern und Zinsen tragen eben auch ihren Teil dazu bei, dass es relativ geräuschlos läuft: Die Polizei meckert über die Belastung durch Demos – zack, gibt es zehn Millionen extra. Bezirke sind unterfinanziert? Dann gibt’s halt kurz vor der Wahl noch mal zwei Millionen für neue Straßen. Und auch das Problem Elbphilharmonie wurde, wenn auch inhaltlich vernünftig, letztlich mit einem Scheck über 200 Millionen Euro gelöst, der nach und nach eingelöst wird. Geld ist da.

Je näher die Schuldenbremse rückt, desto drängender stellt sich die Frage, wie lange das noch gut gehen kann. Irgendwann werden die Zinsen wieder steigen und die Steuereinnahmen zurückgehen, und dann rächt sich jeder Euro, der in neue Ausgaben gesteckt wurde, statt die Verschuldung der Stadt zu reduzieren. Der SPD-Senat hat mit seinen starren Ausgabeobergrenzen ein stimmiges Finanzkonzept, das spätestens 2019 zum Ziel führen wird. Dennoch sollte er sich auf eine einfache und ernüchternde Erkenntnis besinnen: Hamburg hat bislang 24 Milliarden Euro Schulden gemacht, dafür aber schon fast 30Milliarden Euro Zinsen gezahlt. Je eher wir diesen Irrweg verlassen, desto besser für die Stadt.