Das gab es noch nie: Die Stadt gibt 500-Millionen-Euro-Anleihe zu 1,0 Prozent heraus. So muss Hamburg nur einen Bruchteil der ursprünglich einkalkulierten Zinsen zahlen. Politik streitet über Konsequenzen.

Hamburg. Die Mitteilung klang auf den ersten Blick nach typischem Bankchinesisch, wenig spektakulär. „Die HSH Nordbank hat als Lead Manager heute erfolgreich eine fest verzinsliche Landesschatzanweisung der Freien und Hansestadt Hamburg mit Fälligkeit 18.06.2021 platziert. Das Volumen betrug 500 Millionen Euro“, hieß es. Doch bei näherem Hinschauen konnte man zwischen den Zeilen eine Entdeckung historischen Ausmaßes machen: Die Stadt zahlt den Investoren, das sind vor allem institutionelle Anleger wie Sparkassen und Versicherungen, genau 1,0 Prozent Zinsen. Mit anderen Worten: Hamburg bekommt eine halbe Milliarde Euro und muss dafür ganze fünf Millionen Euro Zinsen pro Jahr berappen – und das für sieben Jahre gesichert. Das gab es noch nie.

„Bei vergleichbaren Anleihen hatte die Stadt noch nie einen so günstigen Zinssatz“, bestätigte Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde. Zum Vergleich: In den 80er-Jahren musste die Stadt zeitweise mehr als sieben Prozent Zinsen auf ihre Schulden zahlen, auch im vergangenen Jahrzehnt waren noch um die fünf Prozent fällig. Die Folge für den Haushalt waren verheerend: 2002 zahlte die Stadt erstmals mehr als eine Milliarde Euro Zinsen im Jahr, der Anteil der Steuereinnahmen, die direkt weiter gingen an die Banken („Zins-Steuerquote“), lag bei unglaublichen 15,5 Prozent. Die Stadt drohte an ihren Altschulden finanziell zu ersticken.

2014 ist die Situation eine völlig andere: Trotz weiter steigender Schulden sinkt die Zinsbelastung der Stadt seit einigen Jahren. Hatte der damalige CDU/GAL-Senat 2008 noch befürchtet, im Jahr 2013 mehr als 1,3 Milliarden Euro Zinsen zahlen zu müssen, waren es tatsächlich „nur“ 764 Millionen Euro. Der heutige SPD-Senat hatte immerhin noch mit 937 Millionen kalkuliert und durfte sich am Ende des Jahres freuen, 173 Millionen Euro übrig zu haben.

In diesem Jahr dürfte die Ersparnis noch größer sein, denn der Senat hatte mit steigenden Zinsen gerechnet und dafür Ausgaben von knapp 950 Millionen Euro veranschlagt. Doch die wird er weit unterschreiten. Verantwortlich dafür ist vor allem die „Politik des billigen Geldes“, mit der die Europäische Zentralbank (EZB) die Krise in Südeuropa zu bekämpfen versucht. So kann Hamburg, das von seinen Altschulden in Höhe von 24 Milliarden Euro jedes Jahr etwa zwei bis vier Milliarden umschichtet, ein teures Darlehen nach dem anderen durch deutlich günstigere ablösen. Und statt 3,5 Prozent Zinsen, wie bei der Haushaltsplanung kalkuliert wurde, muss dafür nur ein Bruchteil gezahlt werden. So wurde im Februar eine 500-Millionen-Euro-Anleihe zu 1,8 Prozent Zinsen platziert, jetzt noch getoppt vom historischen 1,0-Prozent-Papier.

„Die geringere Kreditaufnahme der vergangenen Jahre führt zu deutlich niedrigeren Zinszahlungen als bisher geplant. Darüber hinaus ist das aktuell niedrige Zinsniveau eine erhebliche Entlastung“, sagte Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) dem Abendblatt. „Diese erleichtert es, auch unvorhergesehen Mehrbelastungen zu tragen, ohne die festgelegte Ausgabelinie des Senats zu überschreiten.“

Diese Haltung ist politisch umstritten. Vor allem CDU und FDP, aber auch die Grünen fordern den SPD-Senat schon lange auf, die extrem positive Lage lieber zu nutzen, um deutlich vor 2019 die Schuldenbremse einzuhalten. „Der Senat hat die Zinsersparnis bisher genutzt, um andere Ausgaben gegenzufinanzieren. Das muss sich ändern“, sagt CDU-Finanzexperte Roland Heintze mit Blick auf den Doppelhaushalt 2015/2016, dessen Entwurf der Senat in zwei Wochen vorlegen will. „Irgendwann ist die Zeit des billigen Geldes vorbei, und dann steigt die Belastung für den Haushalt“, so Heintze. Daher fordert er, so schnell wie möglich die Neuverschuldung – für dieses Jahr sind noch 300 Millionen Euro Kreditaufnahme geplant – zu beenden und danach sofort in die Tilgung einzusteigen.

Norbert Hackbusch hält solche Forderungen für „unverantwortlich“. Es sei richtig, dass der Senat sich einen Puffer anlegt, sagt der Haushaltsexperte der Linkspartei. „Wir haben riesige Finanzbedarfe bei der Infrastruktur wie Straßen, Brücken und Kaianlagen im Hafen. Und wir haben großen Bedarf im Sozialbereich, etwa bei der Jugendarbeit oder bei Flüchtlingen. Diese Bedarfe müssen gedeckt werden. Gleichzeitig haben wir ein großes Defizit im Haushalt.“ Es sei daher unmöglich, die Schuldenbremse früher einzuhalten.

In der SPD-Fraktion sieht man die erfreuliche Zinsentwicklung gelassen. „Wenn wir an einer Stelle niedrigere Ausgaben haben, muss man zunächst schauen, ob es an anderer Stelle unvorhergesehen höhere Ausgaben gibt“, sagt Haushaltsexperte Jan Quast. „Das könnte zum Beispiel im Bereich der IT-Kosten und bei der Flüchtlingsunterbringung der Fall sein, für die wir im Herbst Mittel nachbewilligen mussten.“ In jedem Fall gelte: „Wir werden nicht schauen, welche zusätzlichen schönen Projekte noch möglich sind. Wir wollen spätestens 2019 die Schuldenbremse erreichen, und dafür ist hohe Disziplin bei den Ausgaben nötig.“