Die Schließung des Pflegeheims in Bahrenfeld offenbart einen erschreckenden Mangel an Solidarität.

Es wäre wohl ziemlich vermessen, vom fremden Schreibtisch aus zu beurteilen, ob das Bahrenfelder Pflegeheim tatsächlich unwirtschaftlich ist. Das behauptet der Betreiber Pflegen & Wohnen, der die Einrichtung zum Entsetzen vieler im Stadtteil nun innerhalb weniger Wochen schließen und die Häuser lieber zur Unterbringung von Flüchtlingen vermieten will.

Äußerlich machen die drei Gebäude nahe der Autobahn einen modernen, keineswegs maroden Eindruck. Vielleicht sind sie trotzdem nicht rentabel. Na und?, möchte man auf solche Argumente antworten. Kitas, Schwimmbäder sind auch nicht rentabel – ebenso wenig wie Busse und Bahnen des öffentlichen Nahverkehrs und vieles andere mehr.

Der Streit um das Heim am Lutherpark macht sehr deutlich, welche Folgen es haben kann, wenn ureigene staatliche Aufgaben, wie 2007 in Hamburg geschehen, privatisiert werden. Das zwingt zur Rendite, was gerade bei der Pflege alter Menschen mit kleiner Rente einen schalen Eindruck hinterlässt. Was einst eine solidarische Aufgabe der Gesellschaft war und so auch finanziert wurde, soll nun Gewinn bringen.

Und in diesem Fall drängt sich der Eindruck auf, dass der Betreiber sehr wohl mehr auf den schnellen Euro schielte als auf die Bedürfnisse der Bewohner. Hamburg ist derzeit so sehr unter Druck bei der Unterbringung von Flüchtlingen, dass die Stadt das Angebot zur Nutzungsänderung gerne aufnahm und auch die alte Bestandsgarantie bis 2026 diesem Zwang opferte. Für Pflegen & Wohnen könnte da eine schöne Rechnung herauskommen: Zehn Jahre will es das Heim an die Stadt vermieten. Dann dürfte der geplante Lärmschutzdeckel über der benachbarten A7 fertig und das Grundstück lukratives Wohnungsbauland sein. Ob sich die Stadt dann aber, ohne den heutigen Druck, zu einer Aufgabe des Pflegeheims überreden lässt, dürfte fraglich sein. Also macht es aus kaufmännischer Sicht Sinn, jetzt schnell die Chance zu nutzen, ein unrentables Heim aufzugeben und noch mit der Vermietung Geld zu verdienen, bis sich das Areal besser verwerten lässt.

Aus politischer Sicht ist das ein höchst unsozialer Vorgang. Innerhalb weniger Wochen sollen die Senioren in anderen Heimen einen Platz finden. Jeder Mieter hat lange Kündigungsfristen; hier aber müssen gerade die Schwächsten rasch aus ihrer gewohnten Umgebung heraus. Sie erfuhren davon erst, als der Vertrag bereits unterzeichnet war. Dies wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die Folgen der Privatisierung – dies zeigt auch einen sehr schroffen Umgang mit Menschen, die sich nicht wehren können.

Eine SPD, die stets eine solidarische Gesellschaft als Richtschnur politischen Handelns bemüht, müsste ein solcher Vorgang eigentlich in Aufruhr bringen. Doch ausgerechnet ein SPD-Senat macht nun dieses Spiel mit. Gut möglich, dass man angesichts der großen Flüchtlingsproblematik in der Stadt die direkten Folgen für die Heimbewohner gar nicht bis zum Ende durchdacht hat. Sicher ist auch die Suche nach geeigneten Unterkünften für Flüchtlinge eine gebotene und solidarische Aufgabe. Aber dies darf nicht so geschehen, dass man andere Hilfsbedürftige in Bedrängnis bringt. Gut, dass nun die SPD in Altona auf eine Richtungsänderung drängt und wenigstens mehr Zeit für die Betroffenen einfordert.

Allen Entscheidern in dieser Sache muss eines klar sein: So lange wird es nicht mehr dauern, bis man vielleicht selbst als alter Mensch auf Solidarität angewiesen ist. Schon jetzt lässt sich sagen, dass künftig mehr Männer und Frauen auf fremde Betreuung angewiesen sein werden, weil helfende Kinder schlicht nicht da sind. Wie dann die Gesellschaft mit ihren Alten umgeht, ob es mehr um Wirtschaftlichkeit oder um Menschlichkeit gehen wird – diese Basis legen wir heute.