Die heftig umstrittene Schließung des Pflegeheims am Lutherpark wirft immer neue Fragen auf. Künftig sollen dort Flüchtlinge untergebracht werden. Die jetzigen Bewohner wissen nicht, wohin sie sollen.

Bahrenfeld. Die heftig umstrittene Schließung des Pflegeheims am Lutherpark wirft immer neue Fragen auf. Jetzt kommt heraus: Eigentlich gibt es für die einst städtische Einrichtung eine Art Bestandsgarantie bis 2026. Diese Vereinbarung hatten die Stadt und der heutige Betreiber Pflegen & Wohnen 2006 für dessen Pflegeheime in Hamburg getroffen, als das Unternehmen privatisiert worden war. Sollte Pflegen & Wohnen dagegen verstoßen, sieht diese Klausel eine Rückübertragungsverpflichtung vor. Das bestätigte jetzt die Gesundheitsbehörde, die in Hamburg Aufsichtsbehörde von Pflegeheimen ist, dem Abendblatt.

Man habe den Betreiber aber von seiner „kaufvertraglichen Pflicht“ für die geplante Nutzungsänderung entbunden, so ein Sprecher. Anders als bisher dargestellt, haben die Behörden damit eine deutliche aktivere Rolle bei der geplanten Schließung gespielt und den eigentlich ausgehandelten Schutz der Einrichtung selbst mit ausgehebelt.

Bisher war immer nur auf die Verantwortung von Pflegen & Wohnen verwiesen worden. In dem Heim mit rund 150 Bewohnern sollen jetzt von Sommer an Flüchtlinge untergebracht werden, für die Hamburg derzeit dringend neue Plätze schaffen muss.

Diese Nutzungsänderung planen Behörden und Betreiber allerdings schon länger, die Verträge waren längst unterzeichnet, als Bewohner und ihre Angehörigen von den Plänen aus der Zeitung erfuhren. Ein Vorgang, der in Altona derzeit für Empörung sorgt. Innerhalb weniger Wochen sollen die meist mit sehr geringen Renten ausgestatteten Heimbewohner nun auf andere Heime verteilt werden. Das Heim sei nicht wirtschaftlich zu betreiben, heißt es als Begründung. Ursprünglich wurde dabei den Bewohnern der 31.Mai als letzter Auszugstermin genannt, inzwischen sollen sie sogar zum 30.April raus, berichteten Betroffene.

Doch dieses überstürzte Vorhaben stößt jetzt auf heftigen politischen Widerstand. „Das geht nicht, die Menschen brauchen mindestens ein halbes Jahr, bevor für sie geeignete Lösungen gefunden werden können“, verlangt Altonas SPD-Kreischef und Bürgerschaftsabgeordnete Mathias Petersen.

Freundschaften in den letzten Lebensjahren dürften dabei nicht auseinandergerissen werden, die alten Menschen müssten eine Bleibe in der Nähe ihrer Angehörigen bekommen, fordert Petersen weiter, der sich verärgert über das Verhalten von Pflegen & Wohnen zeigte. „Als ich von den Plänen erfuhr, war ich von ganz anderen Voraussetzungen ausgegangen.“ Wie vielen Politikern in Altona auch, sei ihm der Eindruck vermittelt worden, dass kaum noch jemand in dem Heim wohne. Tatsächlich geht aber beispielsweise die Bahrenfelder Luthergemeinde davon aus, dass das Heim zu mehr als 80 Prozent ausgelastet sei. Eindringlich warnte die Gemeinde vor einer Schließung.

Das Heim sei vor allem von Bahrenfeldern mit sehr kleiner Rente bewohnt. In der Nähe fänden sich aber kaum Plätze in vergleichbaren Häusern. Zudem gebe es vielfältige Kontakte zwischen Heim und Stadtteil, man dürfe so alte Menschen nicht entwurzeln und „einfach irgendwo“ unterbringen. „Wir sind nicht bereit, diese Grundbedürfnisse wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen“, heißt es in einem Schreiben der Gemeinde an die Bezirksversammlung Altona.

Allerdings hat die Gesundheitsbehörde an ihre Ausnahmegenehmigung für eine Aufgabe des Heims auch Bedingungen geknüpft, die nicht einfach erfüllt werden dürften, wenn die Einschätzung der Luthergemeinde zutrifft. So müsse vorab sichergestellt sein, dass alle Bewohner aus dem Lutherpark in anderen „geeigneten Einrichtungen“ aufgenommen werden können.

Bis zum 31.Dezember 2026 muss Pflegen & Wohnen zudem im Bezirk Altona oder alternativ im benachbarten Bezirk Mitte „ohne Unterbrechung“ ein spezielles Pflegeangebot für demente Senioren bereithalten. Auf die Einhaltung dieser Bedingungen müsse die Behörde nun zwingend achten, sagt Petersen: „Wenn sie nicht erfüllt werden können, muss der Vertrag zurückgezogen werden.“

Der jetzige Streit um die geplante Schließung wirft ein Schlaglicht auf die Privatisierung von Pflegen & Wohnen, die seinerzeit stark kritisiert worden war. Der damalige CDU-Senat hatte den städtischen Pflegeheimbetreiber für knapp 70 Millionen Euro verkauft. Zuletzt geriet das Unternehmen 2011 wegen eines Streiks der Mitarbeiter in die Schlagzeilen, nachdem es Tarifverträge gekündigt hatte.

Für die betroffenen Bewohner stellt sich die Situation unterdessen als aussichtslos dar. „Viele haben die Hoffnung aufgegeben, dass sie bleiben dürfen“, sagt der 78-jährige Axel Caben, der Vorsitzender des Heimbeirates ist. Auf Nachfragen werde vielen schlicht gesagt, ihre Kinder oder Betreuer müssten sich um Plätze bemühen. „Man wird hier richtig alleine gelassen“, findet Caben. Immer wieder treffe er auf verzweifelte Mitbewohner, die tieftraurig sind. „Hier fließen jetzt viele Tränen – das geht einfach nicht.“