Die Wahl des Präses heizt den Streit in der Handelskammer an. Es leidet ihr Ansehen

In der Handelskammer Hamburg ist in den vergangenen acht Tagen viel Porzellan zerschlagen worden. Dort tobt ein Konflikt, der über die Grenzen Hamburgs hinaus für Aufmerksamkeit sorgt. Hamburgs herausragende Wirtschaftsvertretung befindet sich in unruhigen Zeiten.

Begonnen hat alles mit dem Ergebnis der Wahlen zum Plenum der Kammer, das am Freitag vergangener Woche bekannt gegeben wurde. Beschämend war die Wahlbeteiligung. Nur zehn Prozent der 166.000 Mitgliedsunternehmen stimmten über das neue Kammer-Parlament ab. Dabei stellte sich heraus, dass die politisch wenig motivierten Kammer-Mitglieder eine höchst politische Entscheidung gefällt haben: Sie wählten einen Kreis von kammerkritisch eingestellten Kleinunternehmern mit sehr gutem Ergebnis ins Plenum. Das Bündnis „Die Kammer sind Wir!“ gewann auf Anhieb mehr als 20 Prozent der Sitze.

Das ist zunächst einmal Ausdruck für die Wandlungs- und Erneuerungsfähigkeit der Handelskammer. So wurde es im Hause aber nicht aufgefasst. Die Kammer-Kritiker wollen Reformen durchsetzen, mehr Transparenz schaffen. Sie sehen in der Kammer eine überholte, in sich geschlossene Kungelrunde, die sich von den Bedürfnissen der kleinen Unternehmer immer weiter entfernt.

Die Kammerführung wiederum fasst das demokratisch zustande gekommene Ergebnis der Plenarwahlen als persönliche Beleidigung auf. Der Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz und Präses Fritz Horst Melsheimer bangen um die gute Reputation, die sich das Haus am Adolphsplatz über viele Jahre erarbeitet hat, und sie werfen den Kammer-Rebellen vor, dass es ihnen gar nicht um die Bedürfnisse der Wirtschaft gehe, sondern dass sie ausschließlich politische Motive verfolgen. Tatsächlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Forderungen der Reformer von den Grünen unterstützt werden.

Aber anstatt auf diesen Angriff ebenso politisch zu reagieren, indem die Kammer-Führung versucht, die neuen Kräfte einzubinden und ihnen damit auch ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen, machen Schmidt-Trenz und Co. das genaue Gegenteil: Sie versuchen das Bündnis der Kammer-Kritiker abzukanzeln.

Da wird das alte Plenum, dessen Legitimation in diesen Tagen ausläuft, schnell noch dazu aufgefordert, mal eben die Satzung zu ändern, damit Melsheimer noch eine Amtsperiode als Kammer-Präses dranhängen kann. Das ist ein Affront gegen das Reformbündnis.

Um es klar zu sagen: Das soll keine Kritik an der bisherigen Amtsführung von Melsheimer sein. Aber was ist das Ergebnis? Ein bis dato weithin anerkannter Präses muss mit dem Makel einer unsauberen Wahl in eine weitere Amtszeit gehen. Und die Handelskammer bleibt in den Schlagzeilen. Dabei wäre das gar nicht nötig. Auch im neuen Plenum hat das Bündnis nicht genug Stimmen, um eine Satzungsänderung zu verhindern.

Die Kammer-Führung sollte endlich das Ergebnis der Wahlen akzeptieren und den Einzug der neuen Gruppe vielleicht sogar als Chance begreifen. Und die Kammer-Kritiker wären gut beraten, die vielen positiven Vorzüge der Kammer zu akzeptieren, anstatt das Handeln der Institution grundsätzlich infrage zu stellen. Die Handelskammer Hamburg gilt als eine der modernsten und effizientesten in Deutschland. Ihr Wort hat Gewicht, und mit ihrer ökonomischen Sicht der Dinge öffnet sie manche eingleisig geführte politische Diskussion für neue Blickwinkel. Was, bitte, ist daran falsch?

Die Rebellen werfen der Kammer-Führung undemokratisches Vorgehen vor, sollten aber nicht in denselben Fehler verfallen. Der Kompromiss gehört zum Wesen der Demokratie, nicht das Durchsetzen von Maximalforderungen um jeden Preis.