Auch dieses Hochwasser ist eine vom Menschen geförderte Naturkatastrophe

Wie sich die Bilder gleichen: Im August 2002 bringen Menschen im Südosten Deutschlands ihr Hab und Gut vor einströmenden Wassermassen in Sicherheit, fahren Helfer in flachen Booten durch überflutete Straßen, pumpt die Feuerwehr zahllose Gebäude leer. Was damals als Jahrhundertflut bezeichnet wurde, trat jetzt, nicht einmal elf Jahre später, ein zweites Mal ein. Und traf vor allem diejenigen, die aus der Katastrophe vom August 2002 zu wenig gelernt haben.

Wie damals ist auch dieses Hochwasser eine vom Menschen geförderte Naturkatastrophe. Extrem starke Niederschläge fielen auf eine gestaltete Landschaft, in der das Wasser nur beschränkt versickern kann. Erosionsgefährdete Äcker können den Regen weniger gut aufnehmen als Wiesen und Wälder, ganz zu schweigen von komplett versiegelten Flächen - bundesweit werden täglich immer noch rund 80 Hektar überbaut. Die über Jahrzehnte praktizierte Umgestaltung von Bächen und Flüssen in Richtung gradliniger Kanäle hat zur Folge, dass sich Starkniederschläge schnell in den Gewässern konzentrieren, die über die Ufer treten. Auf "Wasser-Autobahnen" kommen die Flutwellen schneller voran. Das reduziert die Vorwarnzeiten, in denen Schutzmaßnahmen ergriffen werden können.

Und dann wären da noch die Niederschläge selbst. Seit Jahren warnen Klimaforscher davor, dass Extremwetterlagen im Laufe des Jahrhunderts vermehrt auftreten werden. Zwar lässt sich kein Einzelereignis als Zeichen der Erderwärmung werten, aber das sich wandelnde Klimasystem könnte solche Wetterextreme fördern. Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif benutzt gern das Bild eines gezinkten Würfels: Auch bei ihm fallen noch die Eins oder die Zwei (übersetzt: unterdurchschnittliche Temperaturen, die den Aussagen zur Erderwärmung scheinbar widersprechen), aber die Sechs (Extreme wie Starkregen und Dürren) tritt häufiger auf als bei einem nicht manipulierten Würfel.

Wie in der Klimadiskussion lassen sich beim Hochwasser zwei Lehren für die Zukunft ableiten: Zum einen sollte viel dafür getan werden, um das Risiko zu begrenzen. Zum anderen geht es darum, sich gegen die Folgen der bestehenden Probleme zu wappnen.

Die wichtigsten Hebel beim vorbeugenden Hochwasserschutz sind die naturnahe Gestaltung von Flüssen und Bächen sowie ein Umgang mit den Böden, der ihre natürliche Funktion als Wasserspeicher fördert. Die Forderung von Naturschützern, den Flüssen mehr Raum zu geben, klingt leicht abgedroschen, bleibt aber richtig. Auch viele Wasserbauer denken inzwischen in dieser Richtung. Nach der Flut 2002 wurden an Elbe und Havel Überlaufflächen (Polder) geschaffen (oder sie sind geplant), denn man hatte aus den Ereignissen gelernt: Damals wurden im Bereich der Havelmündung große Flächen geflutet und das Wasser der Havel zurückgehalten - das senkte die Flutspitze am Pegel Wittenberge um 41 Zentimeter. Und im Vordeichland könnten weitere Auwälder die Strömung bremsen und gleichzeitig dem Artenschutz dienen.

Der zweite Ansatz, sich gegen bereits unvermeidbare Folgen zu wappnen, nennt sich in der Klimadiskussion Anpassung. Auch hier gibt es Vorreiter: Die Altstadt des nordsächsischen Städtchens Eilenburg an der Mulde ist in diesen Tagen trocken geblieben, weil die umsichtigen Stadtväter dafür sorgten, dass viele Millionen in Flutschutzmauern investiert wurden, ähnlich wie übrigens auch im niedersächsischen Hitzacker.

Bleibt zu hoffen, dass nach dieser zweiten "Jahrhundertflut" das Gefahrenbewusstsein deutlich wächst und noch mehr Energie in den vorbeugenden und abwehrenden Hochwasserschutz gesteckt wird. Damit die nächste ungewöhnliche Starkregenperiode, die früher oder später kommen wird, weniger Schäden anrichtet als ihre beiden Vorgängerinnen.