Wohnungen und ein Einkaufskomplex - Chance für das Überseequartier in der HafenCity

Eigentlich sollte das Überseequartier in der HafenCity das Herzstück dieses neuen Stadtteils werden: Geschäfte mit internationalen Marken, Luxuswohnungen, Büros, Kreuzfahrtterminal, Hotel und ein großes Science Center - die Pläne waren hochfliegend, als das Investoren-Konsortium 2005 den Zuschlag von der Stadt bekam. Bis 2009 ging es noch gut, der Nordteil ist weitgehend realisiert. Und auch die Stadt ist ihrer vertraglichen Verpflichtung nachgekommen und hat eineU-Bahnlinie in die HafenCity gebaut. Doch wer heute die lange Rolltreppe hochfährt zur Station Überseequartier landet in einer riesigen Brachfläche mit angegrünten Betonfundamenten und Sandbergen.

Seit Jahren ist schon kein Fortschritt zu erkennen. Dabei hatte die Stadt noch 2010 eine Verpflichtung verlängert und eine Miet-Garantie für 50.000 Quadratmeter Bürofläche abgegeben, um in der Finanzkrise wieder Banken für das Vorhaben zu begeistern. Das werde die "Initialzündung" zum Weiterbau sein, argumentierte HafenCity-Geschäftsführer Jürgen Bruns-Berentelg. Heute wäre dieser Satz eine Steilvorlage für viel Häme.

Immer ist noch nichts gebaut; und trotz städtischer Garantie, die inzwischen faktisch verfallen ist, konnte das Konsortium offensichtlich keine Finanzierung für das 650-Millionen-Euro-Projekt hinbekommen. Die Zündung ist verpufft und hat noch nicht einmal kleine Qualmwölkchen hinterlassen. Doch wie heißt es? Hinterher ist man immer schlauer - das weiß man im Club der Besserwisser, die in der Rückschau immer eine schlüssige Erklärung für Fehler finden. Die natürlich andere gemacht haben.

Doch wie sich die Folgen der weltweiten Finanzkrise auswirken würden, dass sie überhaupt ausgelöst wurde - das konnte in Wahrheit niemand seriös vorhersagen. Zu keiner Zeit. Die großen Zufälligkeiten, die "schwarzen Schwäne", wie der Bestsellerautor und Professor für Risikoanalysen, Nassim Nicholas Taleb, sie nennt, bestimmen viel mehr Geschicke, als man gemeinhin annimmt.

Ob ein großer Konzern oder ein Fußballverein Erfolg hat oder krachende Niederlagen erlebt - das ist oft weniger Verdienst oder Schuld von einzelnen Managern oder einem Trainer, sondern eher eine Abfolge von zufälligen Ereignissen. Dennoch lassen sich aus der schwierigen Entwicklung des südlichen Überseequartiers Lehren ziehen.

Ein so riesiges Stadtentwicklungsprojekt an einen einzelnen Investor zu vergeben birgt große Gefahren. Besser geschützt vor den schwarzen Schwänen, den zufälligen Risiken, ist man eher bei einer kleinteiligen Vergabe. Das zeigt die weitere Entwicklung der HafenCity, die ja trotz des Infarkts in ihrem Herzen flott weiterwächst mit vielen Einzelprojekten.

Auch aus einem schwarzen Schwan kann ein weißer werden: Wenn die HafenCity GmbH einen neuen Kurs für das Überseequartier einschlägt, birgt das eine Chance, wie sich schon abzeichnet. Statt immer weitere Büros auf den von Leerstand geprägten Hamburger Markt zu bringen, wird nun auf politischen Druck doch geprüft, ob man dort nicht Wohnungen bauen kann. Und spannend ist die Suche nach einem neuen Konzept für einen großen Einkaufskomplex: Klappbare Dächer, Windschutzsysteme gegen die scharfe Brise, die an der Elbe oft weht - das macht Sinn.

Allerdings suchen die HafenCity-Planer dazu jetzt nach einem neuen Investor, der in das bisherige Konsortium einsteigen könnte. Wie diese Suche ausgeht, ist noch offen.

Vielleicht sollte Hamburg parallel aber auch eine andere Option prüfen. Selbst mit neuem zusätzlichen Investor bleibt es ein großes Konsortium, das dort die Entwicklung bestimmt. Vielleicht wäre es an der Zeit, das kranke Herz der HafenCity mit vielen Partnern zu heilen.