Das Zwei-Säulen-Modell der Schulpolitik könnte scheitern

Dass in Hamburg über schulpolitische Reizthemen leidenschaftlich diskutiert wird, weiß man spätestens seit dem Streit über die sechsjährige Primarschule, der monatelang die Schlagzeilen beherrschte. Das Mega-Projekt des damaligen schwarz-grünen Senats ging bekanntlich im Volksentscheid 2010 spektakulär unter.

Schon bald könnte es eine Neuauflage geben, zumindest was die Emotionalität der öffentlichen Debatte angeht. Wenn morgen die Volksinitiative zur Wiedereinführung des neunstufigen Gymnasiums anstelle des "Turbo-Abiturs" nach acht Jahren an den Start geht, dann sind die Karten auf den ersten Blick ähnlich gemischt wie bei der Primarschule. Ob die Gymnasiasten zu sehr unter Leistungsdruck stehen, zu wenig Freizeit haben und die Persönlichkeitsentwicklung zu kurz kommt, wird lebhaft erörtert werden. Und auch diesmal sind es engagierte Eltern, die gegen die fast einige Politik aufbegehren.

Und doch gibt es gravierende Unterschiede: Bei der Primarschule ging es um eine Reform, die erst noch eingeführt werden sollte. Die verkürzte Schulzeit am Gymnasium wurde dagegen in Hamburg schon 2002 gestartet. Die ersten G8-Abiturienten verließen die Schulen bereits 2010. In all diesen Jahren war die Schulzeitverkürzung nie ein durchschlagendes Aufregerthema. Und: Der Beliebtheit der Schulform Gymnasium hat der schnellere Weg zum Abitur keinen Abbruch getan. Ein Leistungseinbruch ist auch nicht zu verzeichnen.

Dennoch: Das höhere Lerntempo bereitet leistungsschwächeren Schülern Probleme. Sinnvoll ist es daher, in der Schulorganisation vermeidbaren Stress abzubauen. Dazu zählen die Vermeidung einer Häufung von Klassenarbeiten innerhalb weniger Wochen oder die konsequente Umstellung auf Doppelstunden-Unterricht.

Im Übrigen gibt es mit dem G9 an der Stadtteilschule eine flächendeckende Alternative zum "Turbo-Abi". Eins ist klar: Wenn die Schulform mit dem höchsten Sozialprestige, das Gymnasium, auch G9 anbietet, dann verliert die Stadtteilschule ihr Alleinstellungsmerkmal und droht zur "Restschule" werden. Dann wäre das Zwei-Säulen-Modell gescheitert.