Das Kim-Regime versucht, mit allen Mitteln an der Macht zu bleiben

Es war fast schon ein Ritual, das von der Weltöffentlichkeit kaum noch ernst genommen wurde: Im Frühjahr halten die Amerikaner und ihre südkoreanischen Verbündeten ein großes Manöver auf der fernöstlichen Halbinsel ab - begleitet von wüsten Drohungen aus dem kommunistischen Norden. Doch diesmal ist es anders. Der frischgebackene Diktator Kim Jong-un spricht von einem Atomschlag gegen die USA, eine Drohung, die nach derzeitigem Stand der Technik nicht zu steigern ist. Und der Rest der Welt rätselt, warum er das tut und wie ernst er es meint.

Eine seriöse und sichere Antwort ist darauf nicht zu geben. Denn von Kim und dem geschätzt etwa 200 Spitzenkader umfassenden inneren Machtzirkel der Steinzeit-Stalinisten in Pjöngjang sind gesicherte Informationen und Positionen nicht zu bekommen. Selbst Thinktanks in Südkorea, die sich neben ihren Beobachtungen auch auf Überläufer stützen können, und amerikanische Geheimdienste stoßen an ihre Grenzen, wenn es um die letzten Erkenntnisse und Wahrheiten über das abgeschottete, von einer Handvoll miteinander verwandten und verschwägerten Clans beherrschte Land geht.

Sicher ist, dass sich Nordkorea in der von Kim Il-sung, dem Großvater des jetzigen Herrschers, geschaffenen Tschutsche-Ideologie rettungslos verfangen hat. Die besagt neben üblichen kommunistischen Grundsätzen, dass sich das Land nur auf sich selbst verlassen kann und alles aus eigener Kraft schafft. Als Lehre aus dem Kalten Krieg ist in Pjöngjang hängen geblieben, dass ein Land, das sich im Besitz von Atomwaffen befindet, quasi unangreifbar ist. Entsprechend wurde das Nuklearprogramm forciert, was wiederum nicht ohne Reaktion der Staatengemeinschaft bleiben konnte. Bis hin zu den verschärften Uno-Sanktionen nach dem dritten Atomtest Nordkoreas im Februar und dem jetzigen nuklearen Säbelrasseln.

Einmal abgesehen davon, dass es unter Experten ernsthafte Zweifel an der Güte nordkoreanischer Raketen und der Existenz einsatzfähiger Nuklearsprengköpfe gibt, scheint es fast unmöglich, von diesem Bedrohungsniveau wieder herunterzukommen. In der Vergangenheit hat die schrecklich nette Familie Kim aber immer dann am lautesten gepoltert, wenn sie dringend etwas erreichen wollte - etwa Hilfslieferungen oder neue Verhandlungen. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass der Junior-Despot zunächst den mächtigen Militärapparat beschäftigen und ruhigstellen will, um dann Wirtschaftsreformen einleiten zu können. Nötig wären diese, denn das Land hangelt sich seit dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers und dem damit verbundenen Ausbleiben der Bruderhilfe am Rande des Zusammenbruchs entlang. Vor allem zulasten der brutal unterdrückten und bittere Not leidenden Bevölkerung und unter Ausnutzung seiner geostrategischen Lage zwischen den beiden pazifischen Großmächten China und USA.

Unterm Strich geht es um die Existenz des Kim-Regimes, das sich nach außen mit der Atombombe und nach innen mit Terror und Unterdrückung an der Macht halten will. Ob es in seinem quasi seit Staatsgründung andauernden Endspiel bis zum provozierten Suizid, etwa einem nuklearen Angriff auf amerikanische Einrichtungen in Südkorea inklusive vernichtendem Gegenschlag, geht, ist unwahrscheinlich. Bisher stand der Machterhalt an erster Stelle allen Handelns. Ausschließen kann das aber bei der ausgeprägten Bunkermentalität der Kim-Clique auch niemand.