Der Kollaps des Nord-Ostsee-Kanals zeigt erneut, dass der Minister im Amt überfordert ist

Das ist schon eine große Leistung: Tatenlos sieht die Bundesregierung dabei zu, wie Deutschlands wichtigste künstliche Wasserstraße, der Nord-Ostsee-Kanal, kaputt gefahren wird. Die Absurdität dieses Vorgangs lässt sich kaum überschätzen. Im April 2012 setzte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) in Brunsbüttel den ersten Spatenstich für den Bau einer neuen großen Schleusenkammer. Diese soll Entlastung schaffen, damit die beiden alten Durchfahrten für große Schiffe endlich grundsaniert werden können. Bis heute aber wurde der Bau der neuen Schleuse nicht einmal öffentlich ausgeschrieben. Die alten Kammern sind nun vorerst kollabiert, der Kanal muss für Schiffe von mehr als 125 Meter Länge gesperrt werden. Das war zu befürchten und zu erwarten. Doch was tut Berlin?

Es schaudert einen bei dem Gedanken, wie die politische Geisterfahrt im Bundesverkehrsministerium bis zur Bundestagswahl im September wohl enden wird und was das Deutschland am Ende kostet. Ramsauers parlamentarischer Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU), dessen Heimat immerhin das nordseenahe Cuxhaven ist, bemerkte dort am Donnerstag spröde, man werde derartige Zustände am Nord-Ostsee-Kanal in den kommenden sieben Jahren "leider häufiger erleben". Sein Minister drohte den deutschen Bahnfahrern unterdessen höhere Fahrpreise für den Fall an, dass sich das Land Baden-Württemberg - regiert von einem grünen Ministerpräsidenten - nicht an den steigenden Kosten des Bahnhofsprojektes Stuttgart 21 beteilige.

Über Sinn und Unsinn, Machbarkeit und Widersprüche des umstrittenen Stuttgarter Bahnhofs kann man lange debattieren. Über den Nord-Ostsee-Kanal nicht: Die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt ist überlastet und für die ständig wachsenden Schiffsgrößen längst nicht mehr präpariert. Dass vor allem die Brunsbütteler großen Schleusen des Kanals vom Stillstand bedroht sind - sie stammen aus der Kaiserzeit des Jahres 1910 -, wusste jeder Experte seit Langem. Auch Ramsauer wusste es. Doch der Minister aus Bayern, ein Freund des forschen Wortes, lässt das Gespür für die Belange der Schifffahrt und Hafenwirtschaft in Norddeutschland sträflich vermissen. Nach dem einstweiligen Stopp der geplanten Elbvertiefung durch das Bundesverwaltungsgericht im Oktober 2012 fiel ihm spontan nichts anderes ein, als die Bundesrichter rüde zu schelten - politisch das Dümmste, was ein Minister in solcher Lage tun kann.

Für Hamburg und Bremerhaven, für die gesamte maritime Branche im Norden ist der mindestens zweiwöchige Ausfall des Nord-Ostsee-Kanals ein Desaster ersten Ranges. Der Schaden liegt dabei nicht einmal so sehr in den Mehrkosten für die Schiffstransporte, die nun zeitweise um Skagen in Norddänemark herumgeleitet werden müssen. Beschädigt ist vor allem das Image der deutschen Transportwirtschaft: Die an der Nordsee wichtigsten Konkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen werden jede Gelegenheit nutzen, Hamburg und Bremerhaven Transitladungen in die Ostsee und von dort abzujagen. Längst gibt es obendrein Direktverkehre von Asien bis hin in den polnischen Hafen Gdansk. Solche Routen auszubauen - unter Umgehung des Nord-Ostsee-Kanals, aber auch des Hamburger Hafens - ist für die international tätigen Reedereien ein Kinderspiel. Und jeder Zweifel an der Verlässlichkeit der deutschen Verkehrswege stärkt die Motivation, nach Alternativen zu suchen.

Bald nach seinem Amtsantritt im Jahr 2009 versprach Ramsauer, die norddeutschen Häfen und deren Anbindungen - gemäß ihrer Bedeutung für die gesamte deutsche Wirtschaft - nach Kräften zu ertüchtigen. Heute lässt sich feststellen: ob auf der Schiene, auf der Straße oder auf dem Wasser - der Minister hat auf keinem dieser Wege geliefert.