Der Haushaltsstreit in den USA droht das ganze Land zu lähmen.

Selten waren sich die Amerikaner so einig wie heute, dass es im Haushaltsstreit zwischen dem Kongress und Präsident Barack Obama eine schnelle Lösung geben muss. Irgendeine. Was die US-Bürger am meisten fürchten, ist ein Automatismus, der sie zu Figuren in einem abgekarteten Spiel degradiert. Genau das droht den USA. Ohne Einigung werden nach einem festgelegten Mechanismus die Steuern für alle erhöht, die Staatsausgaben radikal gekürzt. Ausnahmslos, sinnlos, rein nach dem Rasenmäherprinzip.

Die Furcht vor diesem Ausgeliefertsein treibt skurrile Blüten. Die Kaffeekette Starbucks druckt auf jeden Pappbecher in Washington den Slogan "Come together", und die landesweit bekannte Paartherapeutin Ruth Westheimer twittert öffentlichkeitswirksam, dass Menschen, die sich Kompromissen verweigern, einfach keine guten Liebhaber sind. Amerika braucht diese Zutaten, das ganz große Drama.

Denn oft lassen sich erst so diejenigen für Politik sensibilisieren, denen Washington ansonsten, höflich formuliert, an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht. Die "Fiskalklippe" und der damit verbundene Streit sind jedoch alles andere als politische Folklore. Der republikanische dominierte Kongress und Präsident Obama hatten diese Reaktionskette vor gut einem Jahr vereinbart, weil sie sich schon damals über den Etat nicht einigen konnten. Es war das übliche Spiel, bei dem jede Seite die Unliebsamkeiten in die Zukunft drängen konnte.

Diese Zukunft ist jetzt da. Was Obama dem Kongress an automatischen Steuererhöhungen abgerungen hatte, tritt im neuen Jahr in Kraft. Ebenso die Kürzungen, auf die Republikaner den Präsidenten bei einer erneuten Blockade festgelegt haben. Sie beträfen Arbeitslose, Bedürftige in ihrer medizinischen Versorgung, aber auch den Staat als Auftraggeber. Nun ist Obama wiedergewählt und muss sich stärker mit seinen Konkurrenten um Aufmerksamkeit in Senat und Repräsentantenhaus auseinandersetzen. Auf dem Kapitolshügel liegt der Schlüssel zum Haushalt.

Was Obama in seiner ersten Amtsperiode vermied, muss er nun schnell tun: jeden einzelnen widerspenstigen Abgeordneten umdrehen, ihn von einem Kompromiss überzeugen. Die Republikaner wollen gebauchpinselt werden. Vor allem den Anhängern der Tea-Party-Bewegung ist es einerlei, als Blockierer dazustehen. Hauptsache, sie vermeiden höhere Steuern.

Das Verbrauchervertrauen in den USA war zuletzt wieder gestiegen, die Finanzmärkte sehr solide, der Dollar auf einem tragfähigen Niveau. Man sollte jetzt nicht gleich das Schreckensbild einer Rezession mit Millionen neuen Arbeitslosen an die Wand malen, falls es bis Jahresende keine Einigung gibt. Doch durch diesen Tanz am Abgrund verlangsamt sich die wirtschaftliche Erholung in den USA, rückt eine Konsolidierung der Staatsfinanzen in immer fernere Zeiten.

Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch eine Rating-Agentur hat bereits gezeigt, dass die Experten die US-Finanzpolitik kritisch betrachten. Das hat unmittelbar Auswirkungen auf Millionen US-Bürger, weil ihre Altersvorsorge stark von den Börsen abhängt. Wegen der gigantischen Bedeutung der US-Wirtschaft für die Weltmärkte und den gleichfalls gewaltigen Staatsschulden können kränkelnde Vereinigte Staaten Europa und Asien in eine Abwärtsspirale ziehen.

Amerika kann es besser. Trotz aller beseelten Individualisten im Washingtoner Politikbetrieb gibt es einen Gemeinsinn im Land, den spätestens die Katastrophen wieder zutage fördern. Das Aufräumen nach dem Wirbelsturm "Sandy" und die Solidarität nach dem Amoklauf in Connecticut haben gezeigt, dass die breite Mitte sich den nationalen Herausforderungen stellt. Dies gibt Hoffnung, dass das Schauspiel um die Fiskalklippe ein Happy End haben wird.