Die Agenda des Senats lässt Fragen zur Finanzierung offen.

Zum Wesen der Politik im Allgemeinen und von Politikern im Besonderen gehört ein gewisses Maß an Inszenierung. Viel reden und wenig tun, viel versprechen und wenig halten oder im schlimmsten Fall das Gegenteil des Angekündigten umsetzen - solche Mechanismen haben sich tief ins politische Tagesgeschäft eingeschliffen, und sie tragen ihren Teil zur Politikverdrossenheit der Bürger bei.

Betrachtet man diese Eigenschaften als mittlerweile gewöhnlich, ist Olaf Scholz ein ungewöhnlicher Regierungschef. Denn mit seiner gebetsmühlenartigen Ansage, nur "ordentlich", völlig unspektakulär, regieren zu wollen, hebt sich Hamburgs Bürgermeister deutlich ab - was wiederum seinen Wahlerfolg zum Teil erklärt. Das "Arbeitsprogramm" seines Senats versteht er selbst als Beleg dafür, das sei doch nur die Umsetzung des SPD-Wahlprogramms, kokettiert Scholz - und tatsächlich werden dort in erster Linie Versprechen wie die Abschaffung der Kita- und Studiengebühren oder die Absagen an Stadtbahn und Citymaut konkretisiert.

Nichts Besonderes? Von wegen. Addiert man die vielen kleinen und mittelgroßen Maßnahmen, erweist sich diese Senats-Agenda als durchaus ambitioniert - und wirft die Frage auf, inwiefern Scholz' selbst gewählte Zurückhaltung nicht auch zum Teil Inszenierung ist. Denn wenn alle seine Versprechen umgesetzt sind, wird Hamburg in wenigen Jahren einen nahezu komplett kostenlosen Zugang zu Bildung an Kitas, Schulen und Hochschulen haben, werden die Bürger auskömmlich finanzierte Museen und Theater besuchen können und auf dem Weg dorthin in topmodernen Hybridbussen über heile Straßen fahren oder in U- und S-Bahnen von "schnellen Eingreiftrupps" bewacht werden - und nebenbei wird noch der Haushalt saniert.

Wie soll das alles parallel zu schaffen sein? Eine gerechte Antwort ermöglicht zwar erst der Haushaltsentwurf im Mai. Aber Zweifel sät schon das "Arbeitsprogramm": Die ab 2013 geltende Schuldenbremse, die sich die CDU vor der Wahl nicht abzuschaffen traute - kommt weg. Die Verpflichtung, von 2015 an jährlich 100 Millionen Euro Schulden zurückzuzahlen - weg. Die Selbstverpflichtung der SPD, die Ausgaben um maximal ein Prozent steigen zu lassen - aufgeweicht zugunsten eines Durchschnittswerts mehrerer Jahre. Scholz spielt finanzpolitisch auf Zeit und erhöht damit den Druck, Antworten geben zu müssen. Denn Wohltaten zu verteilen, ohne zu sparen, das wäre kein "ordentliches Regieren", das wäre nur politischer Mainstream.