Am zweiten Tag des Drehbuch-Prozesses räumt die langjährige NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze aber auch eigene Fehler ein.

Hamburg. Schuld ist mal wieder die Presse: Am zweiten Prozesstag im Verfahren gegen die ehemalige NDR-Fernsehspielchefin Doris Heinze, ihren Mann Claus Strobel und die TV-Produzentin Heike Richter-Karst macht die Hauptangeklagte erstmals Aussagen zur Sache. Und schenkt man Heinzes Ausführungen Glauben, hätte es ohne die vor zwölf Jahren losgetretene "Süßstoff-Debatte" die Affäre um ihre Drehbücher und die ihres Mannes nie gegeben, die sie dem NDR unter Pseudonym untergeschoben hatte.

Die "Süßstoff-Debatte" hatte sich im Sommer 2000 aufgrund eines Papiers zur "Maximierung der Quote" entzündet, das der damalige Fernsehfilmkoordinator der ARD Jürgen Kellermeier verfasst hatte und an dem auch Heinze, die nun wegen Betrug und Bestechlichkeit angeklagt ist, mitgeschrieben haben soll. Darin wurde Autoren ans Herz gelegt, "unkompliziert, einfach, klar, auf keinen Fall verwirrend" zu erzählen. Eine Debatte über die Qualität der Filme in der ARD entzündete sich in den Feuilletons. Und im Zuge dieser Debatte sei es den Redakteuren des Senderverbundes kaum mehr möglich gewesen, unter eigenem Namen Drehbücher zu schreiben.

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"Das hatte einen Hautgout", sagt Heinze vor Gericht. Es hätte auch einen "Hautgout" gehabt, wenn ihr Mann unter seinem richtigen Namen beim NDR mit einem Drehbuch vorstellig geworden wäre. Deshalb hätten die Eheleute unter den Pseudonymen "Marie Funder" und "Niklas Becker" geschrieben.

"Ich hatte dabei ein schlechtes Gewissen", sagt Heinze. "Es war ein großer Fehler." Wie groß ihr Fehler tatsächlich war, habe sie damals aber nicht gewusst. Sie habe keine Ahnung gehabt, wie ihr Vorgehen "juristisch bewertet werden würde". Schließlich sei sie nicht die einzige ARD-Redakteurin gewesen, die unter Pseudonym Drehbücher bei dem Senderverbund untergebracht habe. Eine von ihr namentlich nicht genannte Kollegin vom Bayerischen Rundfunk, die nun in der Privatwirtschaft arbeite, sei ebenso verfahren.

Sie und ihr Mann hätten ihre Pseudonyme der Verwertungsgesellschaft VG Wort gemeldet. Und schließlich habe der NDR ihr bereits Ende der 90er-Jahre auf Basis eines ausführlichen Exposés genehmigt, den Stoff zu entwickeln, auf dem der Film "Die Freundin der Tochter" beruht. Sie habe damals für die Projektentwicklung aber keine Zeit gehabt, sodass sie erst nach der unseligen "Süßstoff-Debatte" das Drehbuch unter dem Pseudonym Marie Funder habe schreiben können.

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Das klingt so, als wolle sie dem Gericht deutlich machen, dass wer über nennenswerte kriminelle Energie verfüge, nicht so handeln würde, wie sie es getan hat. Sollten ihre Ausführungen zur Entstehungsgeschichte von "Die Freundin der Tochter" der Wahrheit entsprechen, muss sich der NDR fragen lassen, warum er nicht selbst auf das Pseudonym seiner einstigen Fernsehspielchefin aufmerksam wurde, sondern von deren Treiben erst im September 2009 aus der Presse erfuhr.

Großen Wert legt Heinze vor Gericht auch auf die Feststellung, dass sie mit den Drehbüchern ihrs Mannes nur wenig zu tun hatte. Sie sei es nicht gewesen, die ihm die Produzentin Richter-Karst vermittelt habe. Die beiden würden sich von diversen Festen von Studio Hamburg kennen. Schließlich entfleucht ihr der Satz: "Dann erreichte mich ein Exposé von Niklas Becker." Da stutzt der Vorsitzende Richter Volker Bruns: "Sie wussten nicht, dass da etwas kommen würde?", fragt er die Angeklagte. Erst jetzt wird Heinze bewusst, dass sie vielleicht etwas zu dick aufgetragen hat. "Doch", sagt sie, "das wusste ich."