Der Auftakt am Hamburger Landgericht gegen die Ex-NDR-Fernsehspielchefin Doris Heinze gerät zur Farce. Ein anvisierter Deal fand keine Einigung.

Hamburg. "Wassernixen küsst man nicht", "Fast ein Volltreffer", "Dienstage mit Marie" - die Werke, um die es hier unter anderem geht, klingen nach leichter Kost für den Strandkorb. Doch der Prozess zur Drehbuchaffäre um die ehemalige NDR-Fernsehspielchefin Doris Heinze vor der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Hamburg geriet am ersten Verhandlungstag so gar nicht heiter. Es ging schief, was nur schiefgehen konnte.

Bei einem eingangs versuchten Deal zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zur Abkürzung des Strafprozesses konnte keine Einigung erzielt werden. Bereits im vergangenen Jahr hatte es einen ähnlichen Versuch gegeben mit demselben Ergebnis. Die Anwälte der angeklagten Produzentin Heike Richter-Karst forderten im Anschluss, die Verhandlung mit drei anstatt mit nur zwei Berufsrichtern zu besetzen, und legten einen 133 Seiten langen Antrag vor. Ob dem stattgegeben wird, soll kommende Woche entschieden werden. Die Antragsverlesung schließlich musste nach rund anderthalb Stunden vorzeitig abgebrochen werden: Gerd Benoit, Heinzes Anwalt, fühlte sich krank, wollte zurück ins Bett. Und sich anschließend eine "völlig neue Strategie" für die weitere Verhandlung zurechtlegen, so Benoit. Der plötzliche Schwächeanfall von Heike Richter-Karst dagegen dürfte eher der stickigen Luft im mit rund 40 Journalisten gefüllten Gerichtssaal zu verdanken sein. Oder aber der emotionalen Belastung.

+++Doris Heinze, der tiefe Fall der mächtigen NDR-Frau+++

Schwer zu sagen, wie sich der Prozess, der Heinze schwere Bestechlichkeit, schwere Untreue und Betrug vorwirft, in den noch anstehenden vier Verhandlungstagen entwickeln wird. Eine Gefängnisstrafe, wie es manch eine Zeitung mutmaßte, ist wohl so gut wie ausgeschlossen. Fest steht aber: Auch wenn Heinzes Ehemann Claus Strobel sowie Produzentin Richter-Karst mitangeklagt sind, wird es auf die frühere NDR-Frau als Schlüsselfigur in der Drehbuchaffäre hinauslaufen.

Richter-Karst, so stellte es ihr Anwalt dar, sieht sich nämlich vor allem als "Geschädigte", die allzu gutgläubig auf die mächtige Heinze vertraute. Mit der Tatsache, dass Heinzes Ehemann Drehbücher unter dem Pseudonym Niklas Becker schrieb und verkaufte, sei sie immer offen umgegangen, so Richter-Karst. Und dass Heinze ihre Drehbücher unter dem Decknamen Marie Funder schrieb, um das volle Honorar in Höhe von 24 000 Euro einzustreichen anstatt lediglich die ihr zustehenden 50 Prozent - diese Klausel, so Richter-Karst, sei ihr nicht bekannt gewesen.

Den drei Angeklagten werden insgesamt 14 Straftaten aus den Jahren 2003 bis 2009 vorgeworfen - so lange funktionierte das "System Heinze" wie ein gut geschmiertes Uhrwerk: Die damalige NDR-Fernsehspielchefin lieferte der Produzentin der AllMedia, einer früheren Tochterfirma von Studio Hamburg, stets neue Drehbücher von "Niklas Becker" und "Marie Funder", sicherte als Gegenleistung im Sender die Auftragsvergabe an die AllMedia. Höhepunkt an Dreistigkeit bei dieser Mauschelei: Heinze verkaufte das gleiche Drehbuch zweimal, mit nur leicht verändertem Titel. Nachdem sie für "Dienstage mit Marie" bereits Honorar bezogen hatte, drehte sie der Hamburger Produktionsfirma Network Movie "Dienstage mit Antoine" an - und schädigte die Firma um rund 25 000 Euro.

Anzunehmen, dass Produzenten von Network Movie, Studio Hamburg sowie Richter-Karsts früherer Mitproduzent bei der AllMedia, Uwe Schott, im weiteren Verlauf des Prozesses noch gehört werden. Für Doris Heinze steht der nächste öffentliche Auftritt bereits fest: Heute Abend liest sie in der Buchhandlung Liesegang in Husum aus ihrem Kriminalroman "Höhere Gewalt". Der Eintritt ist frei.