Der „Spiegel“-Journalist streitet mit dem Comedian Kurt Krömer, der ihn während einer Aufzeichnung schwer beleidigt haben soll. Matussek hätte dabei wissen müssen, worauf er sich einlässt.

Hamburg. Als alles vorbei war, zog der verantwortliche Fernsehredakteur Michael Hirz Bilanz. Sein schwieriger Studiogast habe zwar „keine bedrohliche Situation“ heraufbeschworen. Das sei „eher eine Frage der Kinderstube“ gewesen. Allerdings habe der Herr „ein sehr hohes Erregungspotenzial“. Künftig werde man mit temperamentvollen Gästen vor der Sendung ein Gespräch über das „erforderliche Mindestmaß an bürgerlichen Umgangsformen“ führen.

Der Gast mit dem „sehr hohen Erregungspotenzial“ war der „Spiegel“-Redakteur Matthias Matussek. Damals, man schrieb den Juni 2006, war er als Kulturressortleiter des Nachrichtenmagazins zu Gast beim „Presseclub“ der ARD. Dort hatte ihm der damalige stellvertretende Chefredakteur des „Handelsblatts“, Roland Tichy, der heute Chef der „Wirtschaftswoche“ ist, vorgeworfen, einen „engstirnigen Nationalismus“ zu vertreten. Daraufhin verlor Matussek die Contenance. Er brüllte: „Das nehmen Sie zurück!“ Dann schrie er: „Unverschämtheit!“ Und noch einmal: „Unverschämtheit!“ Als die Kameras ausgeschaltet waren, soll er Tichy nach dessen Darstellung „hart am Oberarm angepackt und gegen den Tisch gedrückt“ haben. Dabei habe er gebrüllt: „Sie sind ein ganz linker Finger! Sie mache ich fertig! Sie merke ich mir!“

Nun war Matussek schon wieder in einem Fernsehstudio. Und abermals kam es zu einem Eklat. Allerdings unter komplett anderen Vorzeichen.

Diesmal war der „Spiegel“-Mann bei der „Late Night Show“ von Kurt Krömer zu Gast, die der öffentlich-rechtliche RBB verantwortet. Da die mit ihm aufgezeichnete Ausgabe der Show erst am 10. August ausgestrahlt wird, muss man sich, will man beurteilen, was während der Sendung vorgefallen ist, auf Matusseks Schilderung verlassen. Unstreitig scheint aber zu sein, dass diesmal Krömer jegliche Kinderstube vermissen ließ. Er soll seinen Gast als „hinterfotziges Arschloch“ bezeichnet und ihn gefragt haben: „Was machen Sie eigentlich nach einer Talkshow? In den Puff gehen?“ Danach habe er Matussek ständig als „Puffgänger“ apostrophiert. Der Journalist ist nun beleidigt und will verhindern, dass das Gespräch mit ihm ausgestrahlt wird. Er denkt darüber nach, eine einstweilige Verfügung gegen Krömers Show zu erwirken. Das ist bis zu einem gewissen Punkt nachzuvollziehen. Andererseits aber auch wieder nicht.

Denn Matussek hätte wissen müssen, worauf er sich einlässt, als er die Einladung Krömers annahm. Kurt Krömer ist eine Kunstfigur des Berliner Comedians Alexander Bojcan. Er ist ein Prolet aus dem Neuköllner Kiez, dem keine Beleidigung zu vulgär ist. Den Rapper Sido begrüßte er etwa mit den Worten „Sido, du alte Crack-Nutte“. Und auf Tourneen beleidigt er gern und mit Hingabe das Saalpublikum. All das ist bekannt. Ausschnitte von Krömers Wirken lassen sich en masse auf dem Bewegtbild-Portal YouTube finden.

Seltsame Wahl eines Medienprofis

Es ist hier nicht der Platz zu klären, ob Krömers Darbietungen geschmackvoll sind. Das sind sie mit Sicherheit nicht. Ebenso wenig geht es hier um die Beantwortung der Frage, ob diese Art von Show vom Gebührenzahler finanziert werden muss. Diese Frage ist weniger leicht zu klären. Krömers schneller und mitunter auch geistreicher Humor lässt sich nicht auf ein paar Invektive reduzieren.

Das sieht Matussek vermutlich anders. Warum aber begab sich ein Medienprofi wie er offenbar gänzlich unvorbereitet in Krömers einschlägig bekannte Show? Erschwerend kommt hinzu, dass er den Comedian von einem gemeinsamen Auftritt bei „3 nach 9“ kannte. Zudem hätten ihn seine Frau und Freunde „davor gewarnt, zu Krömer zu gehen“, erzählte Matussek dem „Tagesspiegel“. Warum er dennoch glaubte, gerade dort über seine feinsinnige, von der Kritik gelobte Novelle „Die Apokalypse nach Richard“, plaudern zu können, die er dem Moderator als Geschenk mitbrachte, bleibt sein Geheimnis.

Mit etwas Geistesgegenwart und Schlagfertigkeit hätte Matussek die Situation vielleicht retten können. So überhörte Sido seinerzeit die „alte Crack-Nutte“ geflissentlich. Die Schlagersängerin Mary Roos, die in derselben Sendung wie der „Spiegel“-Redakteur zu Gast war, entschärfte Krömers Einlassung, sie habe fast alle ihre Kollegen überlebt, nur frage er sich, was sie von 1980 bis jetzt getan habe, mit der Erwiderung, „Ach Schatzi, ich fand dich so nett“. Und in einer früheren Sendung ließ Gregor Gysi „Krömer abblitzen“, wie damals die „Welt“ schrieb. Er drehte den Spieß einfach um und fragte seinen Gastgeber, als der über Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine parlieren wollte, nach dessen eigener Beziehung.

Nur Matussek, immerhin ein Mann des Wortes, war Krömer offenbar nicht gewachsen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sein Versuch gegen die Show auf juristischem Weg vorzugehen, nach hinten losgeht. Krömers Anwalt, der bekannte Medienrechtler Christian Schertz, hat schon mal darauf hingewiesen, dass „der Dialog auf der Bühne zwischen Matussek und Krömer von der Kunst- und Satirefreiheit gedeckt“ sei und „als Ganzes betrachtet werden“ müsse. Um PR für seine Sendung muss sich der Comedian dank Matussek auch nicht sorgen.

Zudem hat der 59 Jahre alte Journalist neben dem Schaden nun auch den Spott. Der mit ihm befreundete Publizist Henryk M. Broder, der kürzlich selbst bei Krömer zu Gast war, bescheinigte Matussek, „uncool“ zu sein. Und was gibt es Schlimmeres, als von einem wie Broder auch noch als „uncool“ gescholten zu werden?

Derweil redet sich Matussek weiter um Kopf und Kragen. Er habe nur zwei Optionen gehabt, sagte er dem „Tagesspiegel“: „Krömer eine reinzuhauen oder rauszugehen“. Damit wären wir wieder bei Matusseks Auftritt im „Presseclub“ vor sieben Jahren. Damals brachte er Tichy aus weitaus geringerem Grund körperlich in Bedrängnis. „Ich habe mich bedroht gefühlt“, sagte der Wirtschaftsjournalist damals. Bei Krömer, immerhin, ist es nun nicht zum Äußersten gekommen.