Berlin.

Die Wut ist zurück, das Wilde, das Widerständige - und damit auch, was Ed Harcourt vor 15 Jahren zu einem der größten britischen Poptalente machte. Sein neues Album vibriert nur so vor Emotionen und Aufsässigkeit.

Es gehe in "Furnaces" (Polydor/Caroline) um das Verhältnis von Männern und Frauen, um ihre Kinder, um die Lügen von Politikern wie David Cameron, vor allem um den Umgang des Menschen mit der Natur, erzählt der im August 39 Jahre alt gewordene Pianist. "Wir haben mit Mutter Natur herumgespielt, sie geplündert und zerstört. Aber sie wird immer zurückkehren - und uns in den Hintern beißen. Die Erde wird immer da sein, aber wir nicht."

Keine ganz neue Erkenntnis, aber nichtsdestotrotz eine richtige. Bei Harcourt war sie Auslöser für sein siebtes Studioalbum seit dem bis heute unerreichten "Here Be Monsters" (2001). Nach einem trügerisch sanften Intro heißt der eigentliche Opener denn auch gleich "The World Is On Fire". Zu einem düsteren Keyboard-Fanal, verzerrten Gitarren und bollernden Bässen singt Harcourt mit seiner schönen Stimme apokalyptische Textzeilen.

Dominierten auf neueren Platten wie "Lustre" (2010) und "Back Into The Woods" (2013) edle Klavierballaden und anrührende Liebeslieder an Ehefrau Gina, Töchterchen Roxy und Sohnemann Franklyn, so sind es nun wieder turmhohe Gitarrenwände und grimmige Rhythmen. Mit "Furnaces" wagt sich Harcourt erneut in die Sound-Gefilde eines Tom Waits, Nick Cave oder Jeff Buckley vor, in denen er sich schon am Anfang seiner Karriere heimisch fühlte. Für sein außergewöhnlich ambitioniertes Debüt wurde er 2001 prompt für den renommierten Mercury Prize nominiert.

Was die Wahl eines Albumproduzenten ausmacht, lässt sich gerade im Fall Ed Harcourt gut beobachten. Bei "Here Be Monsters" saßen die Noise-affinen Gil Norton und Dave Fridmann an den Reglern - "Furnaces" wurde nun von dem ähnlich unangepassten, weit vom Mainstream entfernten Flood (Nick Cave, PJ Harvey, Nine Inch Nails) betreut. "Er hat genau mein Spiel gespielt", schwärmt Harcourt. Was soviel heißt wie: Mehr Lärm, mehr Ecken und Kanten, mehr Elektronik - weniger Kompromiss, weniger Wohlklang.

Dabei hat Harcourt keineswegs eine ungenießbare Platte abgeliefert, die nur ihm selbst gefällt. Der Titelsong mit feierlichem Bläser-Intro und das von einem dramatischen Orgel- und Streicher-Arrangement verzierte "You Give Me More Than Love" gehören zu seinen allerprächtigsten Liedern. "Dionysus" präsentiert ihn zunächst sehr verletzlich solo am Piano, ehe ein bedrohlicher Marschrhythmus und Metal-Gitarren einsetzen.

Eine solche Mixtur - wie schon vor 15 Jahren im furchterregenden Krach-Malstrom "Beneath The Heart Of Darkness" - hatte man Harcourt gar nicht mehr zugetraut. Und als Sänger ist er hier ohnehin so gut wie noch nie - zwischen fragilem Falsett und zornig-rauem Bariton ruft er alles ab.

"Irgendjemand meinte, dass diese Platte wirklich nach mir klingt, wie eine Platte, die ich immer machen wollte. Und ich denke, das ist richtig", sagt Ed Harcourt. So etwas sagen bekanntlich viele Musiker über ihr neues Album. In diesem Fall stimmt jedenfalls, dass "Furnaces" eine Rückkehr zu alter Form bedeutet. Auch wenn die neuen Songs ungemütlicher und sperriger klingen als zuletzt gewohnt - sie zeigen den Briten wieder auf der Höhe seiner Kunst.