Der Frontmann von Interpol legt mit “Banks“ sein zweites Soloalbum vor und klingt dabei nur beinahe wie seine Band.

Julian Plenti war einmal. Das Künstler-Ego hat Paul Banks endgültig abgelegt. "Es war wichtig für das Debüt, weil ich mich 'Julian Plenti' nannte, noch bevor ich bei Interpol war", sagt Banks. Etwas steif hängt seine schlanke Silhouette im Ledersofa des Hotels The George. Schwarze Hose, schwarze Trainingsjacke, schwarzer Blick. Irgendwie harmoniert er mit dem schweren dunklen Holz, ergänzt das edle britische Design wie eine altgriechische Statue.

Paul Banks wählt seine Worte überlegt, bevor er Auskunft gibt. Vieles glaubt man durch die Musik über ihn zu wissen. Doch der Eindruck täuscht. "Banks" heißt selbstbewusst das zweite Soloalbum des Mannes mit der nachtblauen Stimme und den melancholischen Augen, den die meisten von uns als Frontmann der Düster-Industrial-Postpunkband Interpol abgespeichert haben. Jener Band, die mit coolem Gangster-Look und der perfekten Symbiose aus Empfindsamkeit und Euphorie zur Indie-Supergroup avancierte.

Musikalisch ist das neue Werk vom Vorgänger "Julian Plenti Is...Skyscraper" nicht weit entfernt. Auch "Banks" siedelt eher in den Grauzonen des menschlichen Wesens, zwischen nostalgisch verklärter Teenager Angst und zartem Neo-Country. Zwischen rüden Gitarren, viel ausgefeilter Rhythmik, aber auch filigranen Streicherarrangements. Der Opener "The Base" führt an Schattenorte, Militärcamps in ungewisser Mission. "Now and then I can see the truth above the lies", singt Banks. Mit "Paid for that" hat er einen 'Wutsong' verfasst. "Das ist der Versuch, die Wut nicht zu sublimieren, sondern auf direkte Weise rauszulassen", sagt Plenti und lächelt schmal. "Das ist gesund." Er nehme alles persönlich und sei furchtbar nachtragend. Wenn man die Dinge so dicht unter die Haut lasse, müsse man sie auch wieder abschütteln. Hierfür bemüht er sogar Oscar Wilde. Kritik schaffe neue Perspektiven.

In "Over my shoulder" gibt er einer verrätselten Paranoia Gestalt. Einsame Diebe und indiskrete Phantome linsen über seinen Rücken. Gleichzeitig singt er von Canyons, die Flüsse stabilisieren, und einer Heimat über den Sternen. Ein Appell daran, sich in der Welt trotz allem geborgen zu fühlen. Diesen Tiefsinn kauft man ihm ab. Banks ist kein Rock-Haudegen, eher ein feinsinniger Grübler. Immerhin hat er einen Universitätsabschluss in Englisch und vergleichender Literaturwissenschaft.

Dennoch kann man sich ausmalen, wie er diesen Song an den Stränden Südamerikas verfasst hat. Davon erzählt auch das apokalyptische Cover, das er selbst in São Paulo aufgenommen hat. Am Meer schreibt der Brite seine Songs genauso gerne wie mitten im ruppigen New York, wo er seit Langem lebt.

Zu den Dingen, die man Paul Banks nicht sogleich zutraut, zählt, dass er auf der Highschool in Mexiko mal in einem Musical auftrat. Darauf ist er heute nicht sehr stolz. Außerdem firmiert er als Hip-Hop-DJ unter dem etwas albernen Pseudonym DJ Fancypants. Viel zu ernsthaft wirkt er eigentlich für solche Späße. Die Musik war sein Ausdrucksmedium, sein Erweckungserlebnis verdankt er Nirvana. "Ich liebte Kurt Cobains Sinn für Ehrlichkeit. Das brachte in mir eine Seite zum Klingen. Es gibt Gefühlswellen, die ich nur in Musik ausdrücken kann", sagt Banks.

Der nostalgisch etwas getrübte Blick auf die eigene Jugend bricht sich in "Young Again" Bahn. Hymnisch instrumentiert, wie eine Heimkehr. "Vielleicht habe ich da eine etwas jugendliche Sicht auf die Dinge", gibt er zu. Paul Banks hat auch Humor. In "Another Chance" lässt er eine klassische Betrugsgeschichte aus dem Off von einem befreundeten Schauspieler erzählen. Sie hat eine launige Pointe. Der Erzähler, ein manipulativer Hipster, bringt die betrogene Freundin dazu, nicht nur ihm zu verzeihen, sondern sich wegen ihrer Anklage schlecht zu fühlen.

Texte, Inhalte sind wichtig für Paul Banks. Für sie ist er auch seit 1997 bei Interpol zuständig. Musikalisch verlässt er sich erneut auf die multiinstrumentalen Fähigkeiten des Computerprogramms Logic Pro, das ihm ermöglicht, alle Stimmen alleine zu komponieren. Für die gefühlvollen String Arrangements hat er sich bei Könnern aus dem Umfeld von Antony And The Johnsons und Bon Iver bedient.

Banks kokettiert damit, dass viele in ihm einen verstockten Pop-Kauz sehen. "Okay, ich bin launisch und habe Depressionen", sagt Banks und nippt an einem Erdbeerjoghurt. "Aber ich lache gerne. Wirklich. Ich liebe lustige Menschen." Man könnte es beinahe glauben.

Paul Banks: "Banks" 4AD/Beggars/Indigo; Live 9.2.2013, 19.30, Gruenspan, Große Freiheit 58, Karten ab 27,15 im Vvk.; www.bankspaulbanks.com