Danielle de Niese feiert als Susanna in “Le nozze de Figaro“ ihr Deutschland-Debüt. In Hamburg hat sie sich sofort zu Hause gefühlt.

Hamburg. Es könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden. Dabei verdankt sich wie so oft das erste Kennenlernen auch hier eher dem Zufall als planmäßiger Anbahnung. Die ursprünglich eingekaufte Susanna für die kleine Aufführungsserie von "Le nozze de Figaro" hatte kurzfristig abgesagt, rasch musste Ersatz her. Das Künstlerische Betriebsbüro der Hamburgischen Staatsoper fragte auch bei der Sopranistin Danielle de Niese an, die diese Mozart-Rolle so gut draufhat wie nur wenige ihrer Generation. Die seit einigen Jahren mit Gus Christie, dem Chef der Opernfestspiele von Glyndebourne in England, verheiratete und deshalb dort residierende Sängerin war gerade frei und fand nichts dabei, ihr Debüt auf einer deutschen Opernbühne so plötzlich und fast unbeachtet als Einspringerin zu geben.

Unverhofft verbringt diese Top-Sängerin mit Augen so braun, glänzend und schön wie zwei frisch gefallene Kastanien deshalb jetzt zehn Tage in Hamburg, fuchst sich in nur drei Proben in die noch immer komplett staubfreie Inszenierung von Johannes Schaaf aus dem Jahr 1990 hinein, singt in einer Woche vier Vorstellungen (eine noch heute) und verknallt sich dabei so heftig in diese Stadt und in dieses Opernhaus, dass man fast glauben könnte, sie meine es ernst.

"Hamburg wäre mein Traum", sagt Danielle de Niese ganz unverstellt, als sie erfährt, dass die Staatsoper auch eine recht ansehnliche Serie von Barockopern im Schrank hängen hat, mit Rollen, die dem lyrischen, höchst koloraturfähigen Sopran der barockvernarrten Sängerin wie auf die Stimmbänder geschneidert scheinen. Aber vielleicht ist dieser Enthusiasmus einfach ihr Reflex aufs Leben. Sie hat dieses offene, strahlende Gesicht, das nur Menschen umhertragen, denen man zutraut, dass sie jeden Morgen noch vor dem ersten Augenaufschlag mühelos die küchenbuddhistische Kalenderweisheit "Erwache und lache" anwenden. Danielle de Niese ist positive Energie auf zwei Beinen, und wenn es stimmt, dass man so liegt, wie man sich bettet, dann hat sie es auch in ihrem winzigen Lebensabschnitt jetzt in Hamburg deshalb so weich, weil höchstens hauptberufliche Sauertöpfe ihrer aus Freude, Sinnlichkeit, Professionalität und Freundlichkeit gemischten Schwingung auch anders begegnen könnten als in Resonanz.

"Man hat mich in diesem Ensemble so willkommen geheißen, dass ich mich sofort zu Hause gefühlt habe", schwärmt die Sängerin, die ihren sträflich vernachlässigten Blog mit "Danni" unterzeichnet und sich heute noch dafür verflucht, der Maske erlaubt zu haben, ihr echtes Haar für die Susanna zurechtzufrisieren. Alles klebt. Das rotschwarze Haar sieht irgendwie fantastisch aus, schimmert aber bei näherer Betrachtung so übergründlich wie das einer Barbiepuppe. Eigentlich wollte Frau de Niese heute hochhackige Schuhe anziehen, aber der Regen. Deshalb diese überzeugend abgetragenen Biker-Boots, die ihr mindestens so gut stehen. Außerdem kann sie mit ihnen dem frechen Redaktionsfotografen im Spaß noch etwas flotter in den Hintern treten, als der sich ziert, unverzüglich ihre herzliche und ehrlich gemeinte Einladung zu einer der beiden "Figaro"-Vorstellungen anzunehmen. Diva, so viel ist schon mal sicher, geht anders.

Tatsächlich fügt sich Danielle de Niese auf der Bühne derart organisch ins singende Personal der Staatsoper ein, dass keinen Moment lang der Eindruck vom durchreisenden Stargast aufkommt. Sie ist wunderbar präsent, und ihr Sopran, geschmeidig und dunkel wie Flüssigschokolade, schwingt vielleicht mit einer Spur zu viel Vibrato, kommt aber gewichtig und voll feiner Zwischentöne über die Rampe.

Danielle de Niese begann als Naturtalent. Vor 33 Jahren in Australien als Kind gut situierter Einwanderer aus Sri Lanka geboren, wollte sie schon im Grundschulalter zur Oper und gab ihren ersten Liederabend mit zwölf Jahren. Um ihr eine optimale Förderung zu ermöglichen, zog die Familie 1989 in die USA, wo die Hochbegabte in Los Angeles und später am Mannes College in New York stabilisierend all das an Technik in ihre wunderschöne Stimme einzog, worauf sie heute gerade an suboptimalen Abenden zurückgreifen kann.

Von klein auf liebte sie auch das Kunstlied. "Hugo Wolf ist mein Lieblingskomponist fürs deutsche Lied", sagt sie. "Er kann sich in Zustände wie Verwirrung so hineinfräsen wie ein Laser, das liebe ich, und das liegt mir total." Vergangene Woche gab sie ihr Recital-Debüt in London, mit Liedern von Wolf, Poulenc, Dowland und Grieg. Ehrensache, dass eine so sprachbegabte Frau alles im Original singt, selbst Grieg, "obwohl", sie zeigt auf den Bereich zwischen Zähnen und Lippen, "die Vokale im Norwegischen alle hier im Bermudadreieck sitzen. Aber Grieg war so patriotisch, der hätte es nicht auf Deutsch hören wollen." Und als Danielle de Niese dem Reporter noch fast einen ganzen Gershwin-Song vorsingt, einfach so, weiß der wieder mal: Er hat den allerschönsten Beruf der Welt.

Vorstellungen heute 19.00, Tickets zu 4,- bis 89,- unter T. 35 68 68