Favara. Statt in ein Haus am Strand steckt eine Familie im sizilianischen Favara ihre Ersparnisse in ein Kunst- und Kulturzentrum. Die neue Attraktion sorgt nicht nur für frischen Wind in dem italienischen Nest, sondern bringt auch 50 000 Touristen pro Jahr dorthin.

Vor zehn Jahren war die sizilianische Stadt Favara ein verschlafener Ort mit 30 000 Einwohnern, einer verfallenen Altstadt und rapidem Bevölkerungsschwund. Doch dank Florinda Saieva und Andrea Bartoli und ihres Kulturzentrums ist das italienische Nest zu neuem Leben erwacht.

Das Kunstzentrum Farm Cultural Park des Ehepaars lockt mit Graffiti, verspielten Installationen und ungewöhnlichen Ausstellungen jährlich Zehntausende Besucher an.

"Als ich aufwuchs, konnte man hier nichts unternehmen: Es gab nur eine Pizzeria und keinen Ort, an dem man nach 20 Uhr ein Bier trinken konnte. Jetzt sagen meine zwei Töchter, dass es der schönste Ort der Welt ist", erzählt die 39-jährige Saieva.

2010 riefen die beiden nach einem tragischen Ereignis das Kunstzentrum ins Leben: Im heruntergekommenen Stadtzentrum stürzte ein besetztes Haus zusammen, zwei junge Mädchen kamen ums Leben. Daraufhin war der Gemeinderat gezwungen, auch andere historische Gebäude abzureißen, die als unsicher galten.

Um zumindest einen Teil von Favaras Erbe zu retten, übernahmen Saieva und Bartoli einen kleinen Komplex aus sieben Höfen, der bis dahin für Drogenhandel und Straßenkriminalität berüchtigt war. Die einzigen Bewohner waren ein hundertjähriger Priester und vier Frauen, alle um die 80 Jahre alt. Heute ist der Farm Cultural Park das Herzstück von Favara und seiner Wiedergeburt. Die verschiedenen Betreiber des Kunst- und Unterhaltungszentrum bieten Essen, Open-Air-Filmfestivals, Tanzakademien und Architekturklassen für Kinder an sowie eine Frühstückspension.

"Leute, die heute nach Favara kommen, finden einen Ort, der immer noch trist und langweilig wirkt. Doch im Vergleich zu früher hat er sich unglaublich verändert", sagt Saieva. Damals kamen keine Touristen in die Stadt, heute seien es 50 000 im Jahr, berichtet die Gründerin.

Das Aufblühen einer zuvor eher unbekannten Stadt wurde dieses Jahr auch bei der internationalen Kunstausstellung Biennale in Venedig gewürdigt und brachte dem Ort eine Erwähnung im italienischen Pavillon ein.

Für Wichtigtuer und Kunst-Snobs sei der Kulturpark in Favara nicht gedacht, betonen die beiden Gründer. Zwei Euro kostet der Eintritt. Dafür gibt es derzeit drei Ausstellungen über Migration, zwei Fotoausstellungen und die Installation eines Bassisten einer italienischen Indie Rock Band. Die Straßenkunst und die Höfe kann man gratis besichtigen.

Der erschwingliche Preis ist zwar Segen für Favara, aber Fluch für Saieva und Bartoli. Sie versuchen, den Kulturpark und ihre beiden Berufe unter einen Hut zu bringen. Er ist Notar und sie Anwältin für Kirchenrecht, spezialisiert auf die Annullierung katholischer Ehen. "Jeder, der hierher kommt, sagt, wie wunderbar es ist, glaubt aber, dass jemand anderer dafür zahlt", sagt der 46-jährige Bartoli. Gelder vom Staat gebe es nicht. Gestemmt werden die Kosten mit den Ersparnissen der Familie, Spenden und der Hilfe von Freiwilligen.

Doch das Opfer sei es wert, sagt Saieva. Vermutlich wären die Ersparnisse der Familie sonst in ein Haus am Strand geflossen. "Dafür ist immer noch Zeit - wir sind glücklich mit unserer Entscheidung."