Paris. Dem mächtigen Kunsthändler Guy Wildenstein drohen Nachzahlungen in Rekordhöhe und eine Haftstrafe. Der Prozess könnte aber auch scheitern. Über eine Dynastie, die von Erbstreitereien und Klagen erschüttert wird.

Verdacht auf Veruntreuung, Ausnutzung von Schwäche, Geldwäsche und Steuerhinterziehung: Frankreichs Justiz hat die Kunsthändlerdynastie Wildenstein schon seit geraumer Zeit im Auge.

Ihrem Chef, Guy Wildenstein, drohen diesmal Nachzahlungen von mehr als 550 Millionen Euro an die französischen Steuerbehörden sowie eine mehrjährige Haftstrafe. Erst vor wenigen Jahren hatte seine mittlerweile verstorbene Schwiegermutter gegen den 70-jährigen Franzosen und US-Bürger prozessiert - und gewonnen. Doch diesmal könnte der Prozess scheitern.

Wildenstein wird vorgeworfen, nach dem Tod seines Vaters Daniel im Jahr 2001 und seines älteren Bruders Alec im Jahr 2008 den Großteil des Erbes verheimlicht zu haben. Die Klage wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche hätte schon am 4. Januar verhandelt werden sollen, wurde seitdem jedoch immer wieder verschoben. Am Montag (26. September) will das Strafgericht nun bekanntgeben, ob der Prozess wegen Steuerbetrugs beginnen kann.

Wildensteins Anwälte versuchen, den Prozess zu kippen. Kein Steuerzahler, der wegen Steuerhinterziehung verfolgt wird, dürfe zusätzlich noch vor ein Gericht kommen, lautet ihr Argument, auf das das Pariser Strafgericht am Montag eine Antwort geben will. Das sei eine doppelte Bestrafung. Tatsächlich hatten die französischen Behörden Ende 2012 eine Steuernachzahlung von 600 Millionen Euro gefordert. Der Forderung ist Wildenstein bis heute jedoch nicht nachgekommen.

Wildenstein steht an der Spitze einer Kunstdynastie, die zu den mächtigsten weltweit gehört. Den Grundstein des Imperiums legte Nathan Wildenstein, der 1870 das Elsass verließ, um in Paris den Handel mit Alten Meistern zu betreiben. Das Geschäft mit Werken von Velazquez und Raffael florierte, sodass er Galerien in London, New York und Buenos Aires eröffnete und sich ein herrschaftliches Stadthaus in Paris in der schicken Rue de la Boétie kaufte. Darin ist heute das Wildenstein-Institut untergebracht.

Der Großteil des heute milliardenschweren Vermögens besteht aus wertvollen Gemälden, Rennpferden und Luxus-Immobilien, darunter eine riesige Farm in Kenia, auf der der Hollywood-Film "Jenseits von Afrika" gedreht wurde. Verwaltet wird es in Steuerparadiesen wie Guernsey, den Bahamas und den Cayman Inseln. Ein komplexes und riesiges Konstrukt mit entsprechenden Geldbewegungen.

Auf das weit verzweigte Imperium aufmerksam wurden die Behörden nach einer Klage im Jahr 2006 wegen Ausnutzung von Schwäche und Einflussnahme. Die Witwe des 2001 verstorbenen Daniel Wildenstein hatte sie eingereicht, weil sie sich von dessen Söhnen Guy und Alec aus erster Ehe um ihr Erbe betrogen fühlte. Mit ihrem Prozess hatte Sylvia Wildenstein, die im Jahr 2010 an den Folgen einer Krebskrankheit starb, eine Schätzung des gesamten Vermögens erwirkt. Es soll sich auf mehrere Milliarden Euro belaufen.

Im Laufe der Ermittlungen entdeckten Polizeibeamte der französischen Antigeldwäschebehörde (OCRGDF) nicht nur ein schwer durchschaubares Fonds-Netzwerk. Im November 2010 stießen sie im Keller des Instituts Wildenstein in Paris auf rund 40 Gemälde, die als verschwunden oder gestohlen gemeldet waren. Auf die Hinweise auf ausländische Gesellschaften hat das französische Finanzamt erst spät reagiert.

Wildenstein gehörte auch zum bedeutenden Kreis der Spender der konservativen UMP des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy - die Partei wurde mittlerweile auf den Namen Republikaner umgetauft. Für seine Verdienste in Politik und Kunst wurde Wildenstein 2009 von Sarkozy mit einem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet.

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