Berlin. Zu Berlin hatte Ernst Ludwig Kirchner eine besondere Beziehung. Anfang des vorigen Jahrhunderts fing er hier auf unvergleichliche Weise das Nachtleben ein. Die Nationalgalerie gibt einen Einblick in sein Schaffen.

Ernst Ludwig Kirchner, der Mitbegründer der Künstlervereinigung "Brücke", ist das große Aushängeschild des deutschen Expressionismus. Seine Werke wie "Berliner Straßenszene" oder "Potsdamer Platz" stehen weltweit für die Klassische Moderne.

Die Berliner Nationalgalerie versucht jetzt einen neuen Blick auf den in der NS-Zeit verfemten Künstler (1880-1938). Die Ausstellung "Ernst Ludwig Kirchner - Hieroglyphen" (23.9.-26.2.) im Museum Hamburger Bahnhof soll seine Zeichensprache in den Mittelpunkt stellen, wie der Kurator Joachim Jäger erläuterte.

Es ist eine kleine, aber feine Schau: Zu sehen sind die 17 Gemälde aus der eigenen Sammlung - dazu Skizzen, Zeichnungen, Fotos und Bücher. Ergänzt wird das Programm durch Arbeiten der beiden zeitgenössischen Künstler Rudolf Stingel und Rosa Barba, die sich auf je eigene Art mit dem Werk auseinandersetzen.

Auffallend an Kirchners Kunst ist laut Jäger der Drang zur Abstraktion, die Verwendung von Formen und Chiffren. Kirchner selbst habe dafür das Wort Hieroglyphen verwendet, das sich im Titel der Ausstellung wiederfindet. "Die Verkürzung der menschlichen Figur zum Beispiel auf wenige Strichformen zieht sich durch das ganze Oeuvre", so der Kurator.

Besonders deutlich ist beim Bild "Potsdamer Platz" (1914), dem Glanzstück der Schau, aber auch bei Werken wie "Der Belle-Alliance-Platz in Berlin" oder beim Spätwerk "Max Liebermann in seinem Atelier". Die danebengestellten Entwürfe machen anschaulich, wie er zu dieser reduzierten Formensprache kam.

"Der beste Prüfstein für die künstlerische Arbeit ist die Zeichnung, die Skizze", notierte er einmal. "In ihrer unmittelbaren Ekstase erfassen sie die reinsten und feinsten Gefühle des Schaffenden an der Fläche in fertigen Hieroglyphen."

Die Neue Nationalgalerie macht mit der Ausstellung eine Not zur Tugend. Weil das beliebte Stammhaus in der Nähe des Potsdamer Platzes wegen einer grundlegenden Sanierung voraussichtlich bis 2019 geschlossen ist, werden Teile der Sammlung in wechselnder Form andernorts präsentiert. Die dafür geschaffene "Neue Galerie" im Hamburger Bahnhof gibt dafür einen guten Rahmen.

Zugleich ist der Name laut Nationalgalerie-Direktor Udo Kittelmann eine "humorvolle Anspielung" auf das gleichnamige Museum für deutsche und österreichische Kunst, das der Sammler und Kosmetikerbe Ronald Lauder in New York betreibt.

Dieser besitzt mit der "Berliner Straßenszene" das wohl berühmteste Kirchner-Bild. Er hatte das Ölgemälde 2006 für mehr als 30 Millionen Euro ersteigert, nachdem das Land Berlin es in einer umstrittenen Aktion an die Erben der einstigen jüdischen Besitzer zurückgegeben hatte.