Salzburg. Fast aus dem Nichts hat Reinhold Würth einen Konzern mit 70 000 Beschäftigten geschaffen. Seit 50 Jahren sammelt der Unternehmer auch Kunst - zuletzt im großen Stil. Das hat auch einen praktischen Zweck.

Für den Unternehmer Reinhold Würth ist das Sammeln von Kunst eine Leidenschaft, die auch seinem Konzern nützt. Nicht weniger als 17 000 Kunstwerke hat der 81-Jährige in den vergangenen 50 Jahren gesammelt.

"Das Ganze ist eine Firmen-Kollektion. Natürlich ist im Hinterkopf schon, dass es sich um einen Notgroschen handelt", sagt er im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Der Besuch der Museen ist gratis.

Frage: Was war das erste Bild?

Antwort: Das war ein Aquarell von Emil Nolde mit dem Titel "Wolkenspiegelung in der Marsch". Das habe ich 1964 bei der Galerie Ketterer in Lugano für rund 60 000 Mark gekauft. Das war damals viel Geld. Ich hatte den Fotografen Paul Swiridoff, einen Freund von mir, in Lugano besucht. Da hat sich ein Besuch der Galerie ergeben.

Frage: Wer trifft die Auswahl bei den Kunstwerken?

Antwort: Ich bin ja zu 90 bis 95 Prozent Kaufmann. Die Beschäftigung mit den Künsten war immer der Kontrapunkt zum beruflichen Leben. Vor rund 15 Jahren habe ich einen Kunstbeirat gegründet, der mit den besten Fachleuten besetzt ist. So ist das Ganze vom eher dilettantischen, amateurhaften Sammeln inzwischen zu einer einigermaßen professionellen Kollektion geworden.

Frage: Sie haben aber das letzte Wort?

Antwort: Die Sammlung hat sicher meine Handschrift. Sie ist aber nicht hochintellektuell angelegt, nicht mit großem Tiefgang in die Kunstgeschichte hinein. In den 17 000 Kunstwerken haben sich aber Kerne mit professionellem Charakter gebildet. Ich habe zum Beispiel mit Sicherheit die größte Sammlung zeitgenössischer österreichischer Kunst.

Frage: Sie sind auch ein Fan von Christo?

Antwort: Ja, ich habe eine der größten Christo-Sammlungen. Mit Christo bin ich auch schon lange befreundet. Ich habe ihn mehrmals in New York besucht. Sein Werk ist absolut solitär. Er hat einen außergewöhnlichen Weg gefunden. Gut befreundet war ich unter anderem noch mit Alfred Hrdlicka und dem Bildhauer Robert Jacobsen.

Frage: Die Zahl ihrer Kunstwerke wächst pro Jahr enorm. Woher stammen die Werke?

Antwort: Rund 1000 neu erworbene Kunstwerke pro Jahr ist schon die Richtung, in die es geht. Dazu gehören Werke für 300 oder 500 Euro von Akademie-Absolventen, jungen vollkommen unbekannten Künstlern. Gerade auch an der Kunstakademie in Karlsruhe habe ich Werke gekauft. Da kann es sein, dass ich 20 Werke auf einmal erstehe. Die Sammlung ist ein Konglomerat: Von Spitzenwerken, die ich zum Beispiel hier in Salzburg kaufe, bis hin zum unbekannten Künstler.

Frage: Ist ihr Interesse an völlig unbekannter Kunst auch eine Art Programm?

Antwort: Die großen Museen sind wie eine "Hilton"-Kette auf der ganzen Welt. Sie sehen überall die gleichen Spitzennamen - Kiefer und Richter, und wie sie alle heißen. Da wissen sie gar nicht mehr, ob sie in Sydney sind oder in Stockholm. Dem möchte ich nicht folgen. Die jungen Künstler müssen eine Chance haben - das ist eigentlich der einzige Teil meiner Beschäftigung mit der Kunst, den ich ein bisschen als mäzenatisch empfinde. Wenn ich bei jungen Künstlern kaufe, können die wieder ein Jahr weiterarbeiten. Da kommt es natürlich auch auf Qualität an. Ich habe mindestens fünf bis zehn Fälle, wo nach 15 Jahren auch die großen Museen angefangen haben, deren Werke in die Kollektion aufzunehmen. Das macht einfach Freude.

Frage: Wie steht es um Video-Kunst?

Antwort: Objektkunst, wo sie Strom brauchen, habe ich wenig. Das ist mit Bändern und DVDs verbunden. Da weiß man nicht, wie lange die Dinge halten. Da bin ich doch eher dafür, Öl oder Acryl auf Leinwand zu kaufen. Da weiß ich, dass das ein paar hundert Jahre überleben kann. Das ist beständiger. Ich will aber nicht ausschließen, dass sich meine Haltung noch verändert. Aber sie müssen irgendwo limitieren. Ich habe auch fast nichts gemacht mit Fotokunst.

Frage: Was halten sie vom Kulturgutschutzgesetz?

Antwort: Solange sie nicht verkaufen wollen, interessiert sie das Ganze nicht. Ich habe von der bisherigen Rechtslage mit den Listen der nicht ausfuhrfähigen Kulturgüter ja auch profitiert mit dem Kauf von Holbeins "Schutzmantelmadonna". Die hätte bei einer Auktion in London sicher den doppelten Preis gekostet. Verkaufen will ich eigentlich nichts. Was drin ist, ist drin. Natürlich muss man sagen, dass diese Regelung, wenn sie exzessiv ausgelegt wird, eine Enteignung der Eigentümer um 30 bis 40 Prozent des Wertes der Werke bedeutet. Ein Teil unserer Kunstwerke ist schon vor vielen Jahren von unserer Schweizer Holding erworben worden - und insofern sowieso nicht betroffen.

Frage: Ist die Sammlung mit ihrem Wert auch ein finanzieller Rückhalt für die Firma?

Antwort: Das Ganze ist eine Firmen-Kollektion. Natürlich ist im Hinterkopf schon, dass es sich um einen Notgroschen handelt. Man weiß ja nicht, wie die Zukunft aussieht. Wenn mal Not am Mann wäre, könnte man von diesen Kunstwerken etwas verkaufen und Liquidität schaffen.

Frage: Und der Effekt für die Firma?

Antwort: Nach außen ist die Wirkung wohl sogar noch größer. Wenn sie in einer Stadt wie Schwäbisch Hall mit 38 000 Einwohner in 15 Jahren drei Millionen Besucher in unserer Kunsthalle haben, dann ist das schon gewaltig und bringt den Namen Würth immer wieder positiv ins Blickfeld. Manchmal werde ich gefragt, ob für die dreistellige Millionen-Euro-Summe an Kunsterwerb, nicht lieber Firmen gekauft und Fabriken gebaut werden sollten. Dann sage ich: Vor 40 Jahren waren wir ein Nobody in der Business-Community. Heute haben wir 70 000 Mitarbeiter und 11,8 Milliarden Euro Umsatz - da kann die Kunst eigentlich nicht geschadet haben. Einen gewissen Anteil hat auch die Kunst am Erfolg.

Frage: Wie erfolgreich sind sie eigentlich als Sammler?

Antwort: Auch beim Kunstkauf bleibe ich Kaufmann. Ich versuche, Werke zu kaufen, von denen ich Wertzuwachs erwarte. Wir haben eine ganze Menge Kunstwerke in der Sammlung die heute 20 bis 30 Mal so viel wert sind wie beim Kauf.

ZUR PERSON: Aus der Schrauben-Handlung seines Vaters hat der Großhandelskaufmann Reinhold Würth, geboren am 20. April 1935 in Öhringen nahe Heilbronn im Hohenlohekreis, einen Weltkonzern gemacht. Als er das Unternehmen nach dem frühen Tod seines Vaters übernahm, war er gerade erst 19 Jahre alt gewesen. Würth ist verheiratet und Vater von drei Kindern.