Der frisch gebackene Gewinner eines Golden Globe spricht über Regisseur Tarantino, den Gipfel und das deutsche Exzellenzproblem.

Berlin. Für seinen SS-Oberst in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" bekam Christoph Waltz vor drei Jahren einen Oscar. Danach zog der bis dahin in Deutschland weilende Österreicher nach Hollywood, um richtig durchzustarten. Das hat funktioniert: Vor ein paar Tagen ist er schon wieder ausgezeichnet worden, wieder für einen Tarantino-Film, diesmal (zunächst) mit einem Golden Globe. Ein weiterer Oscar ist denkbar. Genau genommen: Er ist ziemlich wahrscheinlich.

Hamburger Abendblatt: "Django Unchained" ist Ihre zweite Arbeit mit Tarantino. Und in diesem Western wird ganz viel Deutsch gesprochen. Wie groß war Ihr Einfluss aufs Drehbuch?

Christoph Waltz: Das kann ich Ihnen genau sagen, wie groß der war: null.

Moment. Sie waren doch in die Entwicklung des Drehbuchs miteinbezogen.

Waltz: Na ja, ich habe Quentin vorgelesen. Allerdings schon, während es im Entstehen war. Da liegt der feine Unterschied. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich mich irgendwie hineingemischt hätte. Ich wäre ja blöd. Ich will ja die Tarantino-Geschichte und nicht meinen alten Käse. Man kann sich auch zurückhalten und muss nicht immer seinen Senf dazugeben. Ich mach das natürlich auch aus Respekt vor der Kunst. Aber ich mach's vor allem aus Egoismus: Ich will Quentins Geschichte. Ich finde es tausendmal interessanter, was wer anderer sagt, als ihm meine eigene Meinung aufs Auge zu drücken. Weil: Meine Meinung hab ich eh.

Wie haben Sie Tarantino die Nibelungen nahegebracht?

Waltz: Ich habe Quentin mit in die Oper genommen. In Los Angeles hatte man gerade den gesamten Ring als Zyklus gespielt, das kommt dort nicht so oft vor. Aber bei der "Götterdämmerung" konnte er nicht, bei "Rheingold" wollte er nicht. Bei "Walküre" kam er dann mit, da fehlte ihm aber die Vorgeschichte. Ich hab sie ihm kurz vor dem Vorspiel noch schnell erzählt. Dann ging's los. Quentin wurde immer stiller. Und rückte immer weiter vor. Ich dachte schon, jetzt schläft der ein. Aber er wurde immer bedächtiger. Er hat plötzlich die Analogien zu unserem Film gesehen. Die waren mir gar nicht so klar.

Sie haben doch das Drehbuch beeinflusst!

Waltz: Nee, nee. Nicht ich. Wagner! Bedanken Sie sich bei Richard. Das Lustige war, dass die Sklavin in seinem Western schon Broomhilda hieß. Das ist aber eine wunderbare Beschreibung, wie er arbeitet. Er schreibt solche Sachen und plötzlich - huch, passen da lauter Bezüge und Analogien zusammen. Vielleicht weiß er das gar nicht.

Wie war das für Sie, erneut mit Quentin Tarantino zu drehen?

Waltz: Na wie sieht's denn aus? Sieht's so aus, als hätte ich keinen Spaß gehabt? Es kann nicht viel besser werden. Wenn einem so ein Angebot auf einem silbernen Tablett serviert wird, kann man vor Freude und Seligkeit eigentlich nur in die Knie gehen, alles andere wäre hybrid bis zur Unmöglichkeit. Der Gipfel ist ja schon erreicht, wenn man mit jemandem, der auch noch ein Freund ist, so was machen kann. Da kann man eigentlich nichts mehr wollen.

Es kann nicht besser werden, heißt das nicht auch: Es kann jetzt nur noch schlechter werden?

Waltz: Das kommt auf das Ausmaß Ihrer Neurose an. Aber ja, es kann immer schlechter werden! Egal, ob man nun mit Tarantino arbeitet oder mit Bully Herbig.

Es gibt schon ein deutliches Davor und Danach in Ihrer Karriere, verbunden mit "Inglourious Basterds". Gewöhnt man sich an dieses Nachher?

Waltz: Na, ganz die Norm ist es nicht. Erstens habe ich nicht vergessen, wie's mir früher ging. Und zweitens sehe ich, wie es um mich herum anderen, völlig gleichwertig begabten, womöglich sogar noch besseren, erfahreneren Schauspielern als mir geht. Das vergesse ich nicht.

Ist das ein speziell deutsches Problem?

Waltz: Na ja, das jetzt nur auf den deutschen Kulturkreis oder die Sprache herunterzubrechen wäre auch wieder zu einfach und à la longue nicht sehr hilfreich. Sie haben völlig recht, nämlich insofern: Wir haben in Deutschland wirklich herausragende Talente und finanzielle Möglichkeiten, von denen der Rest der Welt träumt. Und doch gelingt es uns nicht, die PS auf die Straße zu kriegen. Das ist schon einen Gedanken wert. Ich kann mich erinnern, wie Kanzler Schröder damals der Meinung war, man müsste Eliteuniversitäten haben. Und dafür einen diesbezüglich lächerlichen Geldbetrag an ein paar Institutionen hinschmiss, in der Hoffnung, dass daraus eine Eliteuniversität würde. Wenn Sie sich andere Eliteuniversitäten in Europa anschauen, dann kommen sie aus dem Schämen gar nicht mehr heraus. Cambridge gibt es beispielsweise seit dem 13. Jahrhundert, und nur zum Zweck der Bildung. Das sind 800 Jahre, das macht man anderswo daraus. Nicht ein paar Euro. Dasselbe ist übertragbar auf unser Kulturleben. Und speziell auf den Film.

"Django Unchained" Vorpremiere heute in allen Cinemaxx-Kinos 19.30 Uhr, im UCI Othmarschen 20/22 Uhr, UCI Wandsbek 20.30/22.30 Uhr, UCI Mundsburg 20.15/22 Uhr, Abaton (OmU) 19.30/22.45 Uhr, Streit's-Kino (OF) 20.15 Uhr