München. Dramatik für dramatische Zeiten: Das Residenztheater in München bringt zu Beginn der neuen Spielzeit mit “Die Räuber“ und “Die schmutzigen Hände“ zwei sehr politische Stücke auf die Bühne - und taucht damit gleich tief ein in das Spielzeit-Thema.

"Eine dramatische Zeit verlangt auch Dramatik", hatte der Münchner Residenztheater-Intendant Martin Kusej gesagt - und eine politische Spielzeit angekündigt. Was das bedeutet, zeigte er gleich zum Spielzeit-Auftakt am Wochenende.

Der Chef selbst inszeniert mit "Die schmutzigen Hände" von Jean-Paul Sartre im Cuvilliéstheater ein Stück, das sich um die Frage dreht, ob ein politisch motivierter Mord tatsächlich etwas anderes ist als ein Mord aus Eifersucht.

Er inszeniert das Stück über den jungen Intellektuellen Hugo (Christian Erdt), der sich den Kommunisten als Selbstmordattentäter anbietet, um seine bürgerliche Herkunft vergessen zu machen, und es schließlich zum Auftragsmörder schafft, vom Anfang bis zum Ende in einem Käfig, der beinahe die gesamte Bühne einnimmt.

Dort entfaltet sich die Geschichte um den geplanten Mord an dem Politiker Hoederer (Norman Hacker), bei dem Hugo samt seiner Frau Jessica (Lisa Wagner) als Sekretär eingeschleust wird. Im Mittelpunkt der immer wieder überaus unterhaltsamen, mit bissigem Humor gespickten Aufführung steht die Frage, ob es tatsächlich einen Unterschied macht, aus welchem Motiv heraus ein Mord geschieht. Ein Schlüsselsatz: "Terrorismus ist geschmacklos."

Dafür gibt es nach zwei Stunden - trotz einiger Längen - begeisterten Applaus für Kusej und seine Schauspieler, allen voran Wagner als Jessica und Hacker als Hoederer.

Jubel gab es am Tag zuvor auch für das erste Stück der Resi-Saison: eine spektakuläre "Die Räuber"-Inszenierung von Regisseur Ulrich Rasche. Auf der Bühne ein monströses Laufband, das die Schauspieler vier Stunden lang in Bewegung hält, dazu langgezogene Violinenklänge, monotones Trommeln und lautstarker Sprechgesang.

"Die Räuber" als bedrohliches Kollektiv und zugleich inhomogene Truppe - so zeigt Rasche Schillers Räuberbande. Der blutige Bruderkampf um die Gunst des Vaters wird zum Kampf um eine neue Weltordnung. Jedoch: Das Stück erzähle "die Genese einer Bewegung, die jeglicher konkreten politischen Grundlage entbehrt", sagt Rasche. Die Räuber, denen sich der aufgrund einer Intrige seines Bruders vom Vater verstoßene Karl Moor anschließt, ziehen mordend übers Land. Sie schwören "Tod oder Freiheit" und suchen Gewalt. Für Karl Moor gibt es kein Zurück.

Die Laufbänder auf der Bühne zwingen zum Weitergehen. Die Räuber marschieren, marschieren, marschieren - in strenger Choreographie und mit stakkatoartigem Sprechgesang. Wer stehen bleibt, fällt. Wer sich ihnen anschließt, kann sich nicht mehr abwenden. Ist die Kriegsmaschinerie erst einmal im Gange, lässt sie sich schwer stoppen. Rasche, der zugleich für das Bühnenbild verantwortlich ist, gestaltete die bedrohliche Kulisse eines gewaltsamen Umsturzes.

In den Hauptrollen überzeugen Franz Pätzold als Karl Moor und Valery Tscheplanowa als Franz Moor. Eigentlich hätte Schauspielerin Bibiana Beglau den Franz spielen sollen, wegen künstlerischer Differenzen kam es dann doch nicht dazu. Tscheplanowa übernahm die Rolle. Franz Moor als zierliches blondes Wesen - genau das Gegenteil der hässlichen, verwachsenen Gestalt, die Schiller vorschwebte.

Regisseur Rasche relativiert allerdings: Die Politisierung des Theaters sei eine Illusion. Er vermeide bewusst die Lesbarkeit eines Stückes auf die aktuelle Gesellschaft hin. "Ich finde wirklich viele gute Gründe, warum es sinnvoll ist, gerade heute die Räuber aufzuführen - dennoch würde ich nicht behaupten, dass ich in meinen Inszenierungen versuche, dies abzubilden."

In München gibt es zwar keine Tumulte wie bei der Uraufführung des Schiller-Stückes in Mannheim im Jahr 1782, reichlich Diskussionsstoff hat Rasche mit seiner gewaltigen Inszenierung aber erzeugt. Das Publikum zollt dem Ensemble für seine eindringliche Darbietung - die schon wegen des dauernden Marschierens ein hohes Maß an Konzentration erfordert - mit langanhaltendem Applaus Respekt.