Wuppertal. Das Schauspielhaus geschlossen, das Opernensemble entlassen - die Wuppertaler Bühnen wurden bundesweit zum Symbol der Folgen der kommunalen Finanzkrise. Doch die Bühne arbeitet sich aus dem Tief. Die Zeichen stehen auf Neuanfang.

Das Schauspielhaus: seit drei Jahren dicht. Die Oper: kein Ensemble, kein künstlerischer Stab. Was sich in den vergangenen Jahren an den Wuppertaler Bühnen abspielte, war ein Trauerspiel.

Das marode Theater musste geschlossen werden, weil für die Sanierung kein Geld mehr da war. In der Oper setzte der umstrittene Chef und Dirigent Toshiyuki Kamioka einen unpersönlichen Stagione-Betrieb ohne festes Sängerensemble durch. Bundesweit wurde Wuppertal zum Symbol für den Niedergang von Kultur in verschuldeten Kommunen.

Doch jetzt stehen die Zeichen wieder auf Aufbruch. Die Oper hat mit Berthold Schneider (51) einen neuen Intendanten, der dem Haus wieder Leben eingehaucht hat. "Dieses Haus war menschenleer", sagt Schneider der Deutschen Presse-Agentur. Als erstes baute er ein neues Ensemble aus sechs festen Sängern und vier Sängern in Residenz auf, die einen Teil der Spielzeit in Wuppertal arbeiten. In kurzer Zeit stellte Schneider, zuvor Operndirektor in Darmstadt, auch ein neues Team hinter der Bühne zusammen.

Und er entwarf einen ziemlich experimentellen Spielplan, der die Opernkritiker an diesem Wochenende (17./18.9.) nach langer Zeit wieder nach Wuppertal lockt. Eine Doppelpremiere steht zur Spielzeiteröffnung an. Am Samstag wird die einstündige Videooper "Three Tales" von Steve Reich und Beryl Korot aufgeführt. Die Projektion auf der Leinwand ist gekoppelt mit einem Kammerorchester und fünf Sängern. Am Sonntag folgt für das konservativere Publikum Jacques Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" - jeder der vier Akte wird von einem anderen Regisseur inszeniert.

Schneider will auch junge Menschen erreichen. "Schon in der ersten Spielzeit soll klar werden, dass wir eine Richtung haben", sagt er. "Wir möchten hier über Oper in unserer Gegenwart nachdenken, und das nicht abstrakt, sondern gelebt."

Derweil schaut Theaterintendantin Susanne Abbrederis wehmütig auf das seit 2013 geschlossene Schauspielhaus. Als sie 2014 anfing, habe sie "ein Haus ohne Haus" vorgefunden, sagt sie. Für das auf neun Schauspieler geschrumpfte Ensemble wurde eine Lagerhalle zu einer Ersatzbühne mit 150 Sitzplätzen umgebaut und "Theater am Engelsgarten" genannt. "Das haben wir zum Leben erweckt", sagt Abbrederis. Trotz einigem Gegenwind hat die 62-jährige Wienerin sich behauptet.

Eine gemütliche Kinosaal-Atmosphäre herrscht im Ersatztheater mit den roten Plüschsesseln. Es geht familiär zu. Zum Spielzeitauftakt gibt Lena Vogt, die neu im Ensemble ist, mit einer einstündigen Darbietung über Janis Joplin aus Gesang und Lesung eine beeindruckende "Visitenkarte" ab. Jeder neue Schauspieler stellt sich in Wuppertal mit einer eigenen Produktion dem Publikum vor.

Zwar kann Abbrederis zwei Produktionen auch im Opernhaus spielen, aber alle trauern irgendwie doch dem Schauspielhaus nach. Das elegante weiße Gebäude in Elberfeld wurde 1966 eröffnet und wird im September 50 Jahre alt. Die Schließung des ruhmreichen Hauses, in dem Pina Bausch einst auftrat, hatte 2013 bundesweit Proteste ausgelöst. Nun ist Rettung in Sicht.

Das Haus soll mit Hilfe von Bund und Land in den nächsten Jahren zu einem Pina-Bausch-Zentrum ausgebaut werden. Die legendäre Tanzkünstlerin starb 2009, doch ihre Compagnie ist immer noch der Exportschlager Wuppertals. Abbrederis hofft, dass später auch ihr Ensemble wieder auf der Bühne des Schauspielhauses stehen wird. "Die Hoffnung bleibt immer."

Aber die finanzielle Gefahr ist für die Wuppertaler Bühnen noch nicht gebannt. Zwar sind die Etats im Musiktheater und Schauspiel in den letzten Jahren konstant geblieben. Doch das Damoklesschwert sind die Tarifsteigerungen von insgesamt 300 000 Euro pro Jahr. 100 000 Euro davon trägt nach Angaben Schneiders die Stadt, die Deckungslücke von 200 000 Euro könne die nächsten drei Jahre noch aus den Rücklagen der Bühnen entnommen werden. "Danach müssen ein paar grundsätzliche Entscheidungen getroffen werden."

Ein Bündnis aus Vertretern der Stadt und der Bühnen habe sich mit externer Hilfe des Finanzproblems angenommen. "Wir sind guter Dinge, dass das nicht zu irgendetwas führt, was wir alle nicht wollen", sagt Schneider. "Doch hier liegen keine Schatzkisten vergraben."