Fünf Jahre nach “Jazz ist anders“ melden sich Bela, Farin und Rod mit “auch“ zurück. Am 25. August spielen sie auf der Bahrenfelder Trabrennbahn.

Hamburg. Vielleicht ist es ein historischer Zufall, vielleicht auch nicht. Fest steht, dass Die Toten Hosen aus Düsseldorf und Die Ärzte aus Berlin - aus Berlin! - in diesem Jahr ihren 30. Band-Geburtstag feiern. Beide Bands schwammen sich aus der Ursuppe des Deutschpunk frei in den Pop-Mainstream - "No Future, das war gestern. Seitdem ist viel passiert." Beide stehen für Konzerte, die mit Blick auf Spieldauer und Eintrittspreise an Selbstaufgabe grenzen. Und beide haben neue Alben: Die Ärzte machen jetzt den Auftakt mit "auch", Die Toten Hosen folgen am 4. Mai mit "Ballast der Republik".

Wenn Die Toten Hosen die deutschen Rolling Stones sind, die seit 1982 stoisch und mit wenigen Ausnahmen ihren prägnanten Vorwärtsrock kultivieren, dann sind Die Ärzte die Beatles. Vielseitiger, zugänglicher, manchmal mutiger, manchmal plumper. Ja, das wird ihnen gefallen, den drei Fans der Fab Four, die im neuen Lied "Sohn der Leere" kurz und gut versteckt "Tomorrow Never Knows" zitieren. Bela B. und Farin Urlaub sind Lennon/McCartney, und der 1993 eingestiegene Rod Gonzales, musikalisch der versierteste des Trios, ist George Harrison. Das Trommeln erledigt Bela mit.

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Programmatisch ist "TCR": "Wir sind 'ne gottverdammte Rockmaschine", verspricht Farin und wechselt in schneller Folge von Festival-Hymne zu Hardrock, Country, Ska und Reggae. Disco und Flamenco gibt es natürlich auch ("M&F"). In "Cpt. Metal" werden in viereinhalb Minuten sämtliche Metal-Klischees vom Mittelalter-Akustik-Intro über Iron-Maiden-Doppelriffs und Stampfparts bis zum Griffbrett-Parkinson-Solo in Richtung Industrie-Pop Marke Rihanna und Black Eyed Peas abgefeuert. Ein beliebtes Thema, dass sich in Klassikern wie "Radio brennt" (1988) und "Unrockbar" (2003) quer durch die Bandhistorie zieht: Ja, wir sind auch in den Charts, aber wir sind die Guten. Vor uns und nach uns die Sintflut.

Aber "Ist das noch Punkrock?", fragen Die Ärzte im Eröffnungsstück, und tatsächlich dürften BelaFarinRod bei manchen jungen Jugendzentrum-Akkordschrubbern mittlerweile einen "Coolnessfaktor wie ein Gartentraktor" haben. Nicht von ungefähr gesteht Bela, 49, in "Bettmagnet", wie er schlicht vor der Glotze versauert und sich von einer TV-Serie zur nächsten hangelt. Einst war er der Vampir, der sich Jack Daniel's mit in den Sarg nahm. Jetzt wird Pizza und Eis im Bett gefuttert. Durch die Jalousie fällt Sonnenlicht auf Lethargie. Oder man hängt mit wichtigen Künstlern rum. Und Rod, 43, trauert seinem "Tamagotchi" hinterher, jenem dämlichen Elektronikspielzeug, das von 1996 an einige Monate lang zum wichtigsten Küken-Freund vieler Kinder wurde. Farin, 48, macht derweil einen "Waldspaziergang mit Folgen".

Es dauert nicht mehr lang, und die Zivi-Hommage "Omaboy" (1993) wird zum Bumerang: "Oberweite am Bauch, das nenn' ich gut gebaut. Stargetrübte Augen, schlechter Atem von den Gallensteinen." Denn "auch" kokettiert mit Alter, Trägheit und "zeiDverschwÄndung": "Es gibt Besseres zu tun, als die Ärzte zu hören", geben sie zu.

Dabei ist "auch" fünf lange Jahre nach dem Vorgänger "Jazz ist anders" die gewohnte "niveautechnische Grenzwertunterschreitung", die gewiss nicht nervt wie Yoko Ono. Aber es wirkt auch in schnelleren Passagen ("TCR", "Fiasko", "Cpt. Metal") überraschend zurückhaltend produziert und eingespielt. Pflegefall Angriffslust. Als stünden Die Ärzte im Schatten der Ärzte früher. Wer also nicht zu den Hardcore-Fans zählt, die jedes Album und jedes T-Shirt (oder gleich zwei) unbesehen kaufen, sollte erst einmal reinhören. Und am 25. August (Karten ab Montag) kommen Die Ärzte auf die Bahrenfelder Trabrennbahn. Als unbestritten beste Live-Band der Welt.

Die Ärzte: "auch" CD (Hot Action Records/Universal) im Handel, Konzert: Sa 25.8., 17.00, Trabrennbahn (Metrobus 3), Luruper Chaussee 30, Karten ab 16.4. zu 34,20 im Vorverkauf, www.bademeister.com