Ärzte-Schlagwerker und Gelegenheitsvampir Bela B über sein neues Hörbuchprojekt “Exit Mundi“, Apokalypsen und - natürlich - Punkrock.

Hamburg. Es war ein sonniger Vorfrühlingstag, als Bela B, Schlagzeuger der Punk-Pop-Band Die Ärzte, in der Hamburger Bar 20up hoch über der Elbe von seinem neuen Hörbuch-Projekt berichtete. Zur Zeit des Interviews lag das Erdbeben in Japan noch in der Zukunft, der reale Schrecken war weit entfernt. Bela B beschäftigt sich mit "Exit Mundi - die besten Weltuntergänge", einer Essay-Sammlung des niederländischen Wissenschaftsjournalisten Maarten Keulemans, in der dieser Katastrophenszenarien auf ihre Wahrscheinlichkeit abklopft. Mit lakonischem, humoresken Unterton.

Keulemans betrachtet die Prophezeiungen der Maya, nach denen am 21. Dezember 2012 die Welt untergehen soll, er befasst sich mit schwarzen Löchern, Angriffen von Aliens und Zombies, mit Meteoriteneinschlägen und der Eiszeit. Bela B liest heute im Uebel & Gefährlich aus diesen Texten. Warum aber sollte sich jemand angesichts realer Katastrophen mit all diesen Apokalypsen auseinandersetzen? Die eine Antwort: Für den 48-Jährigen ist die Konfrontation besser, als betroffen zur nächsten Castingshow zu zappen.

Hamburger Abendblatt: Regisseure wie Roland Emmerich leben ganz gut davon, die Erde formschön ins Verderben zu stürzen. Geben sich die Menschen lieber die große Dröhnung, anstatt sich mit dem eigenen kleinen Tod zu beschäftigen?

Bela B: Vielleicht. Aber wir müssen auch ganz real an das Globale denken. So wie es ist, geht es nicht weiter. Und es wird zwar auch schon alles Mögliche getan, aber viele Aktionen sehe ich leider eher als Imagekampagnen der Politik. Letztendlich muss jeder bei sich selbst anfangen. Den Stromanbieter zu wechseln wäre ja schon ein Anfang.

Aber da so viele reale Katastrophen, Kriege und Krankheiten existieren, warum sollte man auch noch Weltuntergangsgeschichten anhören?

Bela B: Naturkatastrophen scheinen in immer kürzeren Abständen auf unserem Planeten stattzufinden. Die Frage ist nur: Passiert tatsächlich immer mehr, oder sind wir durch die Verkürzung der Informationswege einfach näher dran? Gerade weil wir die ganze Zeit konfrontiert werden mit diesen Szenarien, sei es nun in der Unterhaltungsindustrie oder in den Nachrichten, sind Keulemans' Texte auch eine Befreiung, weil er sich wirklich mit dem Thema auseinandersetzt. Oft sagen wir ja nur "ach, ach, wie schlimm" und zappen dann doch weiter zur nächsten Castingshow. Keulemans jedoch bemüht Fachliteratur und führt uns den Möglichkeitsgrad vor Augen, welche Überlebenschancen der Mensch hat.

Wenn Sie sich ein Weltuntergangsszenario aussuchen dürften, welches wäre das?

Bela B: Ich bin erprobt in Horror- und Katastrophenfilmen. Daher ist es besonders traurig, dass Keulemans ausgerechnet die Zombie-Apokalypse als den größten Unfug darstellt. Denn ich weiß einfach viel darüber und hätte relativ gute Überlebenschancen im Vergleich zu Millionen von Menschen, die sich nur Komödien im Kino angucken. Wenn du nur die Texte von "Keinohrhasen" auswendig kannst, bist du nicht so sicher am 21. Dezember 2012.

Haben Sie denn bereits Pläne für besagten "letzten Tag"?

Bela B: Nein. Der fatalistische Grundgedanke ist ja immer, möglichst das Schlechte und das Miese zu sehen. Aber Nostradamus hatte ja auch nicht recht mit vielen Wahrsagungen. Und 2013 werden wir auch über die Maya und ihren Kalender anders denken. Insofern bin ich da nicht ängstlich, sondern plane optimistisch in die Zukunft.

Woher stammt denn Ihr persönliches Interesse für Desaster in Film, Musik, Literatur und Comic?

Bela B: Das begann schon ganz früh. Mit zwölf. Ich habe einfach Spaß, mich zu erschrecken. Ob Horror- oder Dracula-Filme - ich habe nichts ausgelassen. Wenn denn mal solche Filme liefen. Denn, liebe Kinder da draußen: Ich war Jugendlicher zu einer Zeit, als wir in West-Berlin nur fünf Fernsehprogramme hatten. Und davon waren zwei vom DDR-Fernsehen.

Interessant ist auch Maarten Keulemans' Erklärung, dass Zombie-Geschichten ursprünglich auf die Angst der herrschenden Klasse vor Sklavenaufständen zurückgehen. Heißt das also: Jede Zeit hat das fiktive Weltuntergangsszenario, das sie verdient?

Bela B: Genau. Horrorfilme waren immer auch die Antworten auf gewisse soziale und politische Probleme. Die Werke von George A. Romero sind ja nicht umsonst in den 60er- und 70er-Jahren während und unmittelbar nach der Zeit des Vietnamkrieges entstanden. Darin thematisiert er auch unterschwellig die Ohnmacht des Bürgers gegenüber dem Staat. Heutzutage hat Hollywood allerdings kapiert, wie man solche Filme so produziert, dass die breite Masse sie toll findet. Deshalb ist die politische Relevanz etwas verloren gegangen.

Sie stammen ursprünglich aus der Punk-Bewegung. Sind deren Konzerte nicht letztlich auch eine Inszenierung von Weltuntergängen - nur in kleinerem Maßstab?

Bela B: Punkrock ist ja auch nur eine Hülse, die nicht zuletzt dank Der Ärzte weit gefächerter wurde, aber auch kommerzieller. Damals war die Haltung, keine Angst vor der Negation zu haben, einfach auf die Bühne zu gehen, destruktiv zu sein, aber dabei auch Spaß zu haben. "No Future" eben. Das Motto passt auch gut zu dem Hörbuch. Von daher ist das vielleicht seit Ewigkeiten mal wieder eine richtige Punk-Tat von mir.

Bela B liest aus "Exit Mundi" (Hörbuch, Random House Audio, 16,99) Mo 14.3., 20.00, Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstr. 66, Eintritt: 19,-