Der Moderator will es mit seinem Vorabendtalk noch einmal wissen, die ARD braucht nach vielen Fehlschlägen wieder einen Erfolg.

Hamburg. Ein Mann mit Dreitagebart fährt im Fond einer Limousine sitzend durchs nächtliche Berlin. Während Siegessäule, Reichstag und Brandenburger Tor an ihm vorbeifliegen, zählt eine Stimme aus dem Off einige der beruflichen Stationen ("Dieser Mann war Mr. Morning und Mr. Late Night ...") des Nachtschwärmers auf. Als der Wagen sein Ziel erreicht hat, dreht sein Fahrgast sein Gesicht in die Kamera und sagt: "Das war erst das Warm-up. Jetzt beginnt die Show."

Das ist nicht nur ziemlich dick aufgetragen, sondern schlicht geflunkert. Denn der Mann ist Thomas Gottschalk, und die Show, von der er spricht, heißt "Gottschalk live". Sie läuft ab Montag um 19.20 Uhr viermal die Woche im Vorabendprogramm der ARD. Sie wird von Werbeblöcken zerhackt. Auf ihrem Sendeplatz ist bisher noch so ziemlich jeder gescheitert. Kann es tatsächlich sein, dass eine der erfolgreichsten Karrieren, die es im deutschen Fernsehen je gegeben hat, nicht mehr ist als eine Aufwärmübung für eine Vorabendshow, bei der nach nur 22 Minuten netto schon wieder der Vorhang fällt?

Natürlich nicht. Und deshalb fragt sich die Branche schon seit Wochen, warum sich Gottschalk die Sendung überhaupt antut. Am Geld kann es nicht liegen. Davon hat er genug. Deshalb ist es auch völlig egal, ob er, wie das "manager magazin" zu wissen glaubt, für die Show sechs Millionen Euro im Jahr bekommt oder ob es - wie Gottschalk dem "Stern" anvertraute - keine vier Millionen sind. Beweisen muss sich der Mann, der mit "Wetten dass ..?" jahrelang erfolgreich die letzte große deutsche Sonnabendabendshow moderiert hat, ohnehin nichts mehr.

+++ "Wetten, dass..?"-Moderator steht fest: Nächste Show im April +++

+++ Gottschalk kritisiert ZDF für Nachfolger-Suche +++

Es ist wohl eher so, dass Gottschalk sich mit 61 Jahren noch zu jung für das Altenteil fühlt. "Ich hab ja versucht, mir die Rente schönzureden", sagt er, "aber je näher sie kam, umso mulmiger wurde mir." Vielleicht ist "Gottschalk live" ja das Symptom der verspäteten Midlife-Crisis eines Berufsjugendlichen.

Gottschalk ist natürlich viel zu sehr Profi, als dass er nicht wüsste, wie schnell es auch für ihn mit einem neuen Format vorbei sein kann. Wenn die Sendung in der Sommerpause ist, will er in sein Haus im kalifornischen Malibu fliegen. Zurück kommt er nur "wenn die Show funktioniert". Das tut sie, wenn ihr Marktanteil bei mindestens acht Prozent liegt. Gottschalk selbst hat "den Ehrgeiz, zweistellig zu werden". Dass er überhaupt von Quotenzielen spricht, von eigenen und von selbst gesteckten, zeigt, wie selbstbewusst er ist. Denn natürlich weiß Gottschalk genau, dass ihm die Presse jeden Zehntelprozentpunkt, den er von diesem Ziel abweicht, genüsslich unter die Nase reiben wird.

So abgeklärt dürften sie beim Ersten kaum sein. "Gottschalk live" muss ein Erfolg werden, koste es, was es wolle. Zu groß war zuletzt die Zahl der Fehlschläge, als dass die ARD sich einen weiteren leisten könnte: Jörg Pilawa und Harald Schmidt gingen an das ZDF und an Sat.1 verloren. Nicht mal einen Oliver Pocher konnte man halten. Zwar kam Günther Jauch. Doch seine Talkshow hat die Quoten der Sendungen von Reinhold Beckmann, Anne Will, Frank Plasberg und Sandra Maischberger in den Keller rutschen lassen. Unterm Strich hat der prominente Neuzugang nichts gebracht. Und weil zudem am Vorabend die neue Schmunzelkrimireihe "Heiter bis tödlich" ebenso floppte wie Kai Pflaumes Quiz "Drei bei Kai" kam das Erste 2011 nur auf einen Marktanteil von 12,4 Prozent - den schlechtesten ihrer Geschichte. Deshalb inszeniert die ARD Gottschalk im Trailer für seine Vorabendshow als Heilsbringer, der aus der dunklen Berliner Nacht kommt und das Erste ins Licht führt. Scheitern ist für sie keine Option. Für Gottschalk selbst wäre ein Fehlschlag unschön, mehr aber nicht. Er hat schon ganz andere Sachen erlebt: 1995 etwa, als sie ihn bei RTL vom Hof jagten, angeblich wegen zu schwacher Quoten seiner "Late Night Show". Tatsächlich war man beim Kölner Sender wohl nur sauer, dass Gottschalk nach Auslaufen seines Vertrags zu Sat.1 wechseln wollte. Seine Show sahen damals im Schnitt 1,5 Millionen Zuschauer - ein Wert, von dem Harald Schmidt heute nur träumen kann.

"Gottschalk live" , Mo 19.20 Uhr, ARD