Der Kinofilm “Kriegerin“ von David Wnendt erzählt die Geschichte einer jungen Rechtsradikalen. Der Film ist plakativ - und schockierend aktuell.

Hamburg. Marisa greift die Pistole vom Wohnzimmertisch, eine Walther P38, sie zielt auf den Altnazi im Sessel und auf ihren Freund auf der Couch. Marisa lächelt ein Lächeln der Macht, sie dreht den Spieß um, sie bestimmt das Spiel. Für den Moment wenigstens. Dann reißt der Freund, der Neonazi-Schläger, ihr die Waffe aus der Hand und schlägt ihr ins Gesicht. "Du weißt nicht, wann genug ist", faucht er.

Für Frauen wie Marisa hat Deutschland ein Wort gefunden: Nazi-Braut. Sie ist 20 Jahre alt, der Kopf geschoren bis auf wenige lange Strähnen, auf ihrer Brust prangt ein tätowiertes Hakenkreuz, mal trägt sie ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Skinhead-Girl", mal eine "88" für "Heil Hitler". Es gibt viele echte Mädchen wie Marisa in diesem Land - jung, weiblich, rechtsextrem. Und es gibt die Anti-Heldin Marisa in dem Spielfilm-Debüt des Drehbuchautors und Regisseurs David Wnendt. "Kriegerin" nennt er das fiktive Porträt einer Frau in einem Kaff irgendwo in Ostdeutschland. Morgen startet der Film im Abaton und im 3001.

Mehrere Jahre recherchierte Wnendt, traf Rechtsradikale und Sozialarbeiter, ging in Klubs, wo auch die Nazis feiern. Die fiktive Szene mit der Pistole erzählt viele Wahrheiten über die echte Szene. Die Männer machen Geschäfte, der alte Kader verkauft die Waffe an den Schläger. Marisa sitzt auf dessen Schoß, sie soll den Mund halten. Doch Marisa hält ihn nicht. Rechtsextreme Frauen wollen nicht nur Anhängsel ihres Nazi-Mackers sein. Sie brüllen selbst "Judenschwein" in die Welt, in der sie Hass aussähen. Marisa verprügelt mit ihren "Kameraden" Vietnamesen in der Bahn, sie verjagt zwei Flüchtlingsjungen aus Afghanistan vom Strand am See. Der Anteil der Frauen in der rechten Szene liegt bei etwa 20 Prozent. Jede Zehnte von ihnen ist gewalttätig. Marisas Emanzipation ist der Hass. Sie kämpft vor allem mit Fäusten für Anerkennung in einem frauenfeindlichen Milieu - und in einer rechtsradikalen Szene, die das Bild der "guten deutschen Mutter" propagiert.

Der Film zeigt schonungslos die Gewalt. Das ist sein Verdienst. Und gleichzeitig seine Schwäche, denn Wnendt klammert die Verbindung der Glatzköpfe zu den Bürgern der Kleinstadt, zu Vereinen und zur rechtsextremen Partei fast komplett aus. Als Wnendt den Film drehte, wusste Deutschlands Öffentlichkeit noch nichts von dem rechtsterroristischen Trio aus Zwickau. Der Kinostart war längst terminiert, als die Nachricht von den rassistischen Morden aufkam. Und doch sehen die Zuschauer in Marisa immer auch Beate Zschäpe, die gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund agierte. Zschäpe sitzt in Untersuchungshaft. Laut Ermittler soll sie nicht mitgeschossen haben - aber sie war von Anfang an in der Gruppe. Und wohl über vieles im Bilde.

Der Film ist Wnendts Abschlussarbeit an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam. Ihm wird nun unerwartet viel Aufmerksamkeit zukommen. Man wird in der Fiktion nach Motiven suchen für die realen Taten des Zwickauer Trios. Wie schreibt sich die menschenverachtende Ideologie in das Leben eines Menschen ein?

Wnendt führt zur Erklärung noch ein zweites Mädchen ein, die noch jüngere Svenja, Einserschülerin, unpolitisch. Ihr Vater erzieht sie mit fast sadistischer Gewalt, Svenja fehlt ein positives Vorbild in der Familie. Und sie fühlt sich angezogen von der Coolness der Clique - in einem ostdeutschen Ort, wo es wenig Perspektive und viel Langeweile gibt. Auch zeige der Film beispielhaft die Rolle der Großväter, geprägt von zwei Diktaturen, wie sie mit ihrem Antisemitismus die Erziehung der Enkelkinder beeinflussen, sagt Michaela Köttig, die über rechte Frauen forscht und Regisseur Wnendt beraten hat.

Eigentlich wollte er einen Dokumentarfilm drehen. Doch die Nazis scheuten die Kamera. Trotzdem vermittelt "Kriegerin" viele Informationen - an einigen Stellen leidet darunter allerdings das Drehbuch. Es hastet hinter den Lebensbrüchen der Figuren hinterher. Es ist das Dilemma eines Films, der in knapp zwei Stunden beschreibt, was sonst eine ganze Jugend andauert.

"Kriegerin" zeigt auch die Suche einer jungen Frau nach Zärtlichkeit. Nach der Begegnung mit einem afghanischen Jungen zündet in Marisa der letzte Rest Menschlichkeit in einer unmenschlichen Welt der Rechten. Die 27 Jahre alte Alina Levshin inszeniert Marisas Wandel und ihre Sehnsucht nach Liebe mit beeindruckender Kraft. Levshin trägt den Film, der mehr Drama ist als Dokumentation, spannend in der Handlung, gleichzeitig mit spannenden Details über die Szene. Am Ende ertappt man sich mit Sympathie für eine Figur, die sie nicht verdient. Marisas rassistische Gewalt lässt sich nicht entschuldigen mit einer verzweifelten Suche nach Liebe. Der Film schafft diese riskante Gratwanderung nicht immer.

"Kriegerin" ab morgen im Abaton und im 3001