Bürgermeister Ahlhaus überlegt, Thalia und Schauspielhaus zu fusionieren. Damit wären Kultur und Kreativität zerstört und kaum gespart.

Hamburg. Das Wort "Generalintendanz" gilt als eines der ganz bösen Wörter in der Hamburger Kulturgeschichte. Vor 35 Jahren hatte ein kulturell unbedarfter SPD-Politiker - der damalige Fraktionsvorsitzende Uli Hartmann - diesen Begriff in den hiesigen Ring geworfen, als er für eine Zusammenlegung von Schauspielhaus und Thalia-Theater plädierte, weil es am Schauspielhaus Finanzprobleme gab. Er behauptete, man könne dadurch bei den Theatern Geld sparen.

Sparen, so viel war schnell klar, könne man genau ein Intendantengehalt. Bei Künstlern, Technikern, Verwaltung, ja selbst Werkstätten sei natürlich gar nichts zu sparen, denn sie müssten ja für dieselbe Anzahl an Inszenierungen arbeiten. Hartmann hatte sich damals etwas voreilig "über das herrliche Durcheinander", das er angerichtet hatte, gefreut, sich dann aber sehr schnell für seinen wenig kompetenten Vorschlag entschuldigt.

Brisant daran war auch, dass er aus den Reihen der Regierungspartei SPD kam, die damals eine Koalition mit der FDP stellte. Der wiederum gehörte Kultursenator Dieter Biallas an. Fragt man den ehemaligen Kultursenator Biallas heute, so erinnert er sich sehr gut an den Vorgang, der beinahe zu einer heftigen Koalitionskrise geführt hat: "Viele Hamburger haben aufgeschrien, und die CDU-Opposition hat die Regierung vorgeführt." Seine Erkenntnis aus der damaligen Krise fasst er folgendermaßen zusammen: "Ein Spareffekt lässt sich durch die Schließung eines Staatstheaters nicht wirklich erzielen. Das bleibt marginal. Allerdings würde man viel an Kreativität einbüßen."

Es ist Bürgermeister Christoph Ahlhaus, der nun den Gedanken an eine Generalintendanz für Hamburg wieder aufgegriffen hat. "Wir werden uns anschauen, ob möglicherweise ein Intendant für mehrere Häuser zuständig sein kann", sagte er gestern auf NDR Info. Was nicht nur von völliger Unkenntnis der jüngsten Hamburger Vergangenheit zeugt. Es ist auch ein Sinnbild dafür, wie offen man inzwischen selbst in der bürgerlichen Schicht nicht nur mit geringer Sachkenntnis, sondern auch mit kultureller Unbildung hausieren gehen kann - ohne Angst davor zu haben, unangenehm aufzufallen.

Die Ablehnung in Jahrhunderten gewachsener Traditionen, zu denen beispielsweise in Deutschland das System der 160 Stadt- und Staatstheater gehört, offenbart mehr als allein Desinteresse an einem Theaterbesuch. Es zeigt, wie wenig Gefühl dieser Bürgermeister für die Gewohnheiten und Usancen seiner Wählerinnen und Wähler hat. Da ist es doch durchaus apart zu sehen, dass heutzutage die Frage nach Sinn und Nutzwert eines Theaters nicht von der SPD, sondern von der CDU gestellt wird.

Unklug äußerte sich auch Kultursenator Reinhard Stuth (CDU), als er gestern vorschlug, man könne beim Schauspielhaus ja auch mal ein anderes Profil erarbeiten - wobei natürlich nicht etwa das Thalia kopiert werden könnte. "Aber vielleicht könnte das Junge Schauspielhaus gestärkt werden. Wenn man sich klar über das Profil ist, kann man entscheiden, ob man beispielsweise lieber einen jungen oder einen erfahrenen Intendanten einstellt." Gründgens würde rotieren. Heißt das, dass uns nun Kinder- und Jugendtheater als ästhetisches Profil auf Deutschlands größter Bühne erwartet? Oder dass dieses Theater, an dem in seiner 110-jährigen Geschichte mehr gestandene Intendanten gescheitert sind als an irgendeiner anderen Bühne, vielleicht von einem jungen Intendanten gerettet werden könnte? Möglicherweise sollen all diese auf erschreckend große Unerfahrenheit schließenden Äußerungen ja nur den Boden für die Kürzungen bereiten, die in der kommenden Woche vom Senat bekannt gegeben werden.

Regel Nummer eins für einen Kultursenator: sich niemals inhaltlich einmischen. Man hat für politische Rahmenbedingungen zu sorgen. Aber in Kultursenator Stuth, kaum drei Wochen im Amt, erblühen schon jetzt weitere programmatische Ideen: "Bei aller Freundschaft zu den Intendanten und Direktoren, ich mache Kulturpolitik nicht, damit die Intendanten glücklich sind, sondern damit das Publikum sich angeregt fühlt und zufrieden ist", sagte er gestern im Sender HH 1. Man müsse das, was auf den Bühnen und in den Museen gezeigt wird, jetzt doch mal "vom Publikum her denken". Ganz so, als würden Intendanten und Direktoren bisher nur so für sich und völlig ohne Publikum planen.

Thalia-Intendant Joachim Lux, der nach dem Rücktritt Schirmers wohl als Einziger für einen Generalintendantenposten der staatlichen Sprechbühnen Hamburgs übrig bliebe, antwortet auf die Frage, ob er sich dieses Amt vorstellen könnte, befremdet: "Es geht jetzt darum, eine Bühne zu retten, die die Tradition und den Anspruch hat, so etwas Ähnliches wie ein Nationaltheater zu sein. Dazu braucht es eine starke künstlerische Figur. Alle anderen Überlegungen stehen nicht zur Debatte."

+++ Schauspielhaus-Chef wirft hin: Vorhang zu - alle Fragen offen +++

Klar ist Lux auch, dass der Stadt Hamburg, die eben noch den politischen Willen hatte, 500 Millionen Euro für eine Schulreform auszugeben, nun der politische Wille fehlt, die ursprünglich dem Schauspielhaus zugesagten zusätzlichen Mittel in Höhe von 250 000 Euro aufzubringen. Der kaufmännische Direktor des Thalia-Theaters, Ludwig von Otting, kommentierte die Äußerungen des Bürgermeisters auf eigene Art: "Der hat doch einen rostigen Nagel im Kopf", sagte er bei HH 1.

Ganz unkommentiert wollte Stuth seine Vorstellungen denn aber doch nicht lassen. Mehrfach hatte das Abendblatt nachgefragt, ob er nun einen neuen Intendanten fürs Schauspielhaus suchen würde oder nicht, bis er schließlich antwortete: "Der erste Schritt ist eine Verständigung über das künftige Profil des Schauspielhauses. Anschließend kommt die Personalfrage. Beide Fragen möchte ich schnell klären. Ich suche dafür den Rat von Theaterfachleuten und Kulturpolitikern innerhalb und außerhalb Hamburgs. Als Nächstes möchte ich die Protagonisten des Schauspielhauses selbst hören. Eines steht für mich aber fest: Ich will in Hamburg zwei Häuser mit zwei Ensembles und zwei Profilen erhalten." Immerhin, das ist ein Statement. Zwei Theater, zwei Profile. Von zwei Chefs ist allerdings nicht die Rede. Dementsprechend erklärte Stuth: "Es wäre unseriös, wenn ich heute schon etwas ausschließen oder etwas bevorzugen würde."

Intendant Friedrich Schirmer: Talentförderer und Schützer

Einstweilen stellt sich das Schauspielhaus neu auf. Der Kaufmännische Direktor Jack Kurfess übernimmt ab 1. Oktober interimistisch die Leitung, die künstlerische Leitung wird der Künstlerische Betriebsdirektor Florian Vogel übernehmen. Der künstlerische Leiter des Jungen Schauspielhauses ist und bleibt Klaus Schumacher. Der geschäftsführende Dramaturg ist Michael Propfe, er wird im Januar wie geplant abgelöst durch Frank Behnke, derzeit noch leitender Dramaturg und Stellvertreter des Schauspieldirektors am Staatstheater Nürnberg. Kurfess sagte über das neue Leitungsteam: "Das Haus hat jetzt vielleicht nicht mehr das eine Gesicht des Intendanten, aber es ist nicht kopflos. Es hat viele Köpfe, die sich gemeinsam verantwortungsvoll den kommenden Aufgaben stellen. Das Deutsche Schauspielhaus hat schon viele dramatische Situationen überstanden, es ist immer gestärkt daraus hervorgegangen. Das Schauspielhaus geht in seine 110. Spielzeit und wird darüber hinaus noch viele Spielzeiten erleben - denn wir werden jeden Tag beweisen, wie wichtig das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg ist."

Geht man dieser Tage am Schauspielhaus vorbei, betrachtet man die Fahnen, die vom Dach des Hauses wehen ganz neu. "110" steht da, zum Jubiläum der 110. Spielzeit. Es sieht aber aus wie eine Notrufnummer.