Einige Szenen für den Kinofilm „Schändung“ mit Nikolaj Lie Kaas wurden in Norddeutschland gedreht

Hamburg. Carl Mørck kommt zurück. Der unkonventionelle Ermittler aus den Romanen von Jussi Adler-Olsen hat von Donnerstag an im Kino seinen nächsten Fall zu lösen. „Schändung“ heißt der Film von Mikkel Nørgaard, in dem Nikolaj Lie Kaas, unterstützt von seinem Sidekick Fares Fares, wieder die rebellische Hauptrolle spielt. Er rollt diesmal einen Mord auf, durch den vor 20 Jahren ein Zwillingsgeschwisterpärchen brutal umgebracht wurde. Einige Szenen für diesen ziemlich drastischen skandinavischen Thriller wurden auch in Norddeutschland gedreht.

Nikolaj Lie Kaas, der in seiner Heimat ein Star ist, hat „Schändung“ auf dem Filmfest Hamburg vorgestellt. „Ich hoffe, die Leute haben es ernst gemeint“, sagt er und lacht. „Sie haben gesagt, sie mochten diesen Film noch mehr als den ersten Teil.“ Damit spielt er auf „Erbarmen“ an; der Thriller kam vor einem Jahr in die Kinos und wurde vor wenigen Tagen im ZDF gezeigt. Doch trotz guter Kritiken und der Bestsellervorlage blieb der große Ansturm auf die Kinos aus. Vielleicht auch, weil solche Krimistoffe in Deutschland eher im Fernsehen ihr Publikum finden.

Lie Kaas kommt aus einer Schauspielerfamilie und hatte schon als Teenager seine erste Filmrolle. Einem internationalen Publikum wurde er bekannt, als er in einem Schlüsselfilm der dänischen Dogmabewegung zu sehen war. Das Beziehungsdrama „Open Hearts“ kam 2002 ins Kino und öffnete gleich mehreren Filmschaffenden neue Möglichkeiten. Regisseurin Susanne Bier dreht mittlerweile in den USA und hat einen Oscar gewonnen. Drehbuchautor Anders Thomas Jensen hatte damals schon einen Academy Award und gilt als einer der Hauptverantwortlichen für den Kinoboom in Dänemark. Mads Mikkelsen ist mittlerweile als Schauspieler ein dänischer Exportschlager. Barbara Broccoli, Produzentin der James-Bond-Filme, gefiel er in diesem Film so sehr, dass sie ihm die Rolle des Schurken Le Chiffre in „Casino Royale“ verschaffte. Lie Kaas spielte in diesem Film einen jungen Mann, der kurz vor seiner geplanten Hochzeit bei einem Autounfall angefahren wird, querschnittsgelähmt ist und an seiner Situation fast verzweifelt.

Bei der Verfilmung der Romane von Adler-Olsen kam Lie Kaas erst relativ spät ins Gespräch. Der 41-Jährige gibt zu, dass die Erwartungen des Publikums ihm zuerst ein wenig zu schaffen gemacht hätten. „Die Leute wissen, dass Carl um die 60 ist. Das bin ich nicht. Andererseits ist es ein gutes Zeichen, dass sie sich Gedanken machen, weil der Charakter ihnen etwas bedeutet.“ Regisseur Nørgaard bezog seine Schauspieler auf alle möglichen Arten mit in den Herstellungsprozess ein. „Ich habe hier einige Szenen umgeschrieben. In so einem Film kann man nicht improvisieren. Da muss man vorher ganz genau wissen, was man macht.“

Kiel, Grabau und das Münzviertel in Hamburg sind in „Schändung“ als Hintergrund zu sehen. Sie werden im Film allerdings zu Schauplätzen in Dänemark. Man muss also schon sehr genau hinsehen. Illuster war bei „Schändung“ auch die Besetzung hinter der Kamera. Das Drehbuch stammt von Nikolaj Arcel, Regisseur des Struensee-Films „Die Königin und der Leibarzt“, produziert wurde der Film unter anderem von Louise Vesth („Nymphomaniac“) und Maria Köpf, der designierten Chefin der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein.

Lie Kaas ist ein vielseitiger Darsteller. Ein Krimi gehört fast schon zu seinen leichteren Übungen. Er spielt aber auch Theater, z. B. Titelrollen in „Peer Gynt“ und „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“. Im Fernsehen war er in den Serien „Kommissarin Lund“ und „Der Kommissar und das Meer“ zu sehen. In „Illuminati“ spielte er an der Seite von Tom Hanks.

Seit 20 Jahren ist er nun schon im Geschäft. Er hat die hohe Zeit des dänischen Kinos um die Jahrtausendwende erlebt und sieht nun, wie eine neue Generation von Filmemachern an ihren Visionen arbeitet. „Keiner redet mehr über Dogma. Viele Regisseure wollen weg von der Fiktion hin zur Realität, zum Dokumentarischen, auch wenn es um Krieg geht. Es kommt ihnen nicht so sehr auf die Schönheit der Bilder an. Sie arbeiten sehr schnell, und immer steht die Geschichte im Vordergrund.“ Das müssen für ihn nicht immer Geschichten sein, in denen es um Mord und Totschlag geht, auch wenn Krimis aus Skandinavien immer noch Markenartikel sind. „Die Leute sind irgendwann gesättigt von Krimis, sie wollen Geschichten, die nahe an ihren eigenen Lebenserfahrungen sind. Sie wollen nicht mehr die Schlagzeilen, sondern den Inhalt, die Hintergründe.“ Trotzdem wird er Carl Mørck erst einmal treu bleiben. Noch in diesem Jahr soll der dritte Film der Reihe gedreht werden. Zehn Adler-Olsen-Filme sind bisher geplant, Lie Kaas hat einen Vertrag für die ersten vier.

Natürlich behält er auch den TV-Markt im Auge. Dort tut sich gerade eine Menge, und wieder hat Dänemark Akzente setzen können mit den Serien „Kommissarin Lund“ und „Borgen“, die auch international sehr erfolgreich verkauft wurden. Lie Kaas wünscht sich aber auch mehr Bewegung im Kinobereich. „Wir brauchen mal wieder Leute, die eine Seifenblase zum Platzen bringen wollen. Uns fehlt manchmal der Anlass, um Geschichten zu erzählen. Aber ich bin sehr stolz auf das, was wir als sehr kleines Land geschafft haben.“

Eine Kritik zum Film „Schändung“ lesen Sie im LIVE-Heft